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Langlebige Küchenmöbel aus der Ökoproduktion

■ Die Möbelwerkstatt Kambium setzt auf Windenergie und auf heimische Hölzer ohne giftige Chemie – und hat dadurch sogar die Produktionskosten gesenkt

Vor fünf Jahren beschäftigte Christoph Gehrt, Inhaber eines typischen Schreinereibetriebs in Köln, acht Gesellen. In erster Linie wurden Spanplatten verarbeitet, chemische Lösungsmittel vergifteten das Arbeitsklima, und den teuren Strom bezog Gehrt vom Stromriesen RWE. Zwei Jahre hat der 42jährige Schreinermeister dann zusammen mit seiner Frau Angelika Proff-Irnich getüftelt, wie die Umweltbelastungen durch die Möbelproduktion entschärft werden könnten.

Als Gegner der CO2-lastigen Braunkohleverstromung im rheinischen Tagebaurevier wollte Gehrt der Windenergie den Vorzug geben. Vor vier Jahren zog er mit seiner Crew in das den knapp 30 Kilometer von Köln entfernte Lindlar im Bergischen Land. Dort bläst fast täglich eine ordentliche Brise. Heute kann man von weitem schon das Windrad der Möbelwerkstatt sehen.

„Genauso wichtig war die Umstellung beim Materialeinsatz.“ Statt Spanplatten sollten künftig nur noch massive heimische Hölzer verarbeitet werden. Statt 10 sollten die neuen Küchen mindestens 100 Jahre halten. „Unsere Produkte sollen sich ungewöhnlich lange dem Stadium Müll entziehen.“ Sämtliche Hölzer werden nur mit ökologisch unbedenklichen Materialien behandelt: angenehm duftendes Leinöl statt chemischer Keule. Holzreste bilden bei Kambium keinen Sondermüll.

Der Werkstattbau ist umweltfreundlich: Das Wasser für Produktion und selbst für die WC- Spülung stammt aus großen Regenwassertanks. Die Längseite der Halle ist nach Süden ausgerichtet. Direkt unterm Dach sitzen auf dem normalen Mauerwerk Glasbausteine, die auch bei niedrig stehender Sonne im Winter zur Erwärmung der Werkstatt beitragen. So ist der Energiebedarf des Gebäudes 50 Prozent niedriger als bei herkömmlichen Bauten.

Kambium hat sich vom Energieschlucker zum Energieerzeuger entwickelt. Mit der Windkraftanlage deckt Gehrt rund 90 Prozent des Strombedarfs. Bläst mal keine steife Brise, dann werden automatisch zwei Blockheizkraftwerke zugeschaltet. Aus 100 Prozent Gas werden 30 Prozent Strom und 65 Prozent Abwärme erzeugt, mit der wiederum die Trocknung des Holzes betrieben wird. Knapp 15.000 Mark verdient der Schreiner nun mit dem selbsterzeugten Strom, indem er überschüssige Kilowatt ins RWE-Netz einspeist. Künftig will er zudem aus den Holzresten das Gas für die Blockheizkraftwerke gewinnen. „Wenn wir erst aus den Abfällen wieder Energie gewinnen, dann ist unser Produktionskreislauf nahezu geschlossen.“

Der wirtschaftliche Erfolg bestätigt den ökologischen Kurs des Jungunternehmers. „Im Vergleich zu früher sind unsere Produktionskosten um ein Drittel gesunken“, rechnet Gehrt vor. Der Umsatz ist in den letzten vier Jahren von einer auf rund sechs Millionen Mark gestiegen. Der Betrieb ist von acht auf 33 Mitarbeiter gewachsen, und stolz weist Gehrt darauf hin, daß er acht Lehrlinge ausbildet. Die Sache hat nur einen Haken. Nicht jeder kann eine Kambium-Küche kaufen. Die gibt es nur im Umkreis von 100 Kilometern rund um Lindlar. „Wenn wir längere Transportwege in Kauf nehmen würden, dann wären die CO2-Einsparungen unseres Energiemodells wieder schnell weg“, sagt Gehrt. Michael Franken

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