piwik no script img

Keine Staatsknete mehr für Gedenkbibliothek

■ Der Stasi-Landesbeauftragte Gutzeit spricht sich gegen weitere Förderung der Bibliothek aus. Keine Pluralität mehr

Der „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus“ soll der öffentliche Geldhahn zugedreht werden. Dies fordert der Berliner Landesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, Martin Gutzeit. In einem Schreiben Gutzeits an den Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses heißt es, „daß eine Weiterförderung der Gedenkbibliothek in der bisherigen Form nicht zu vertreten ist“. Die Bibliothek war in die Schlagzeilen geraten, nachdem die taz im Dezember 1994 aufgedeckt hatte, daß die beiden Vorstandsmitglieder Ursula Popiolek und Sigmar Faust die Haftentschädigung einer ehemaligen KZ-Wärterin betrieben und von ihr anschließend Geldgeschenke angenommen hatten.

Bereits im August 1995 hatte Gutzeit den Förderverein der Gedenkbibliothek aufgefordert, seine internen Konflikte aufzuklären. Vorausgegangen war ein Hinweis des ehemaligen Pressesprechers des Vereins, Xing-Hu Kuo, wonach in der Bibliothek auch rechtsradikale Schriften verliehen worden seien. Der damalige Vorsitzende des Fördervereins hatte daraufhin den Stasi-Landesbeauftragten Gutzeit eingeschaltet.

Nachdem Gutzeit bereits im März dieses Jahres den Kulturausschuß des Abgeordnetenhauses über den Rechtsruck der Gedenkbibliothek informiert hatte, wurde er aufgefordert, in einem weiteren Bericht darzulegen, wie die Zukunft der Bibliothek aussehen könnte. Gutzeits eindeutiges Resümee: In dieser Form werde es keine Zukunft geben. Zur Begründung schrieb der Landesbeauftragte, daß das ehemals politisch plurale Erscheinungsbild des Fördervereins gelitten habe. Außerdem stelle sich aufgrund zahlreicher personeller Veränderungen im Vorstand des Vereins – Templin hatte in der Zwischenzeit seinen Rücktritt erklärt – die Frage, ob es sich beim derzeitigen Förderverein überhaupt „noch um den Verein handelt, der Grundlage der Entscheidung für eine institutionelle Förderung durch das Land Berlin war“. Gutzeit schlägt deshalb vor, die Mittel für die Gedenkbibliothek anderen antistalinistischen Opferverbänden zugute kommen zu lassen.

125.000 Mark jährlich bekam der Verein in der Vergangenheit aus der Landeskasse. Daß es auch damit nicht immer mit rechten Dingen zuging, ist ein weiterer Grund für Gutzeit, dem Hauptausschuß nahezulegen, die Förderung einzustellen. Nachdem nämlich Xing-Hu Kuo von Bibliotheksleiterin Popiolek gekündigt wurde, seien, so Gutzeit, die für diese Stelle vorgesehenen Mittel von der Geschäftsführung einbehalten worden. Kuo selbst hat inzwischen Strafanzeige gegen Popiolek wegen Unterschlagung öffentlicher Mittel gestellt. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen