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„Die FDP ist nicht die AOK“

■ Landesschiedsgericht hat Befragung von FDP-Bewerbern für satzungswidrig erklärt. Parteiquerelen gehen aber weiter

Die monatelangen Auseinandersetzungen in der FDP um die Zulässigkeit von Gesprächen mit Bewerbern hat das Landesschiedsgericht jetzt für satzungswidrig erklärt. Damit haben die Nationalliberalen, die die von Parteichef Martin Matz praktizierte politische Sondierung als „Gesinnungsschnüffelei“ und „selektiven Aufnahmestopp“ bezeichnet hatten, einen Sieg errungen.

Matz hatte im Januar angekündigt, „am rechten Rand eine Linie zu ziehen“. Durch Bewerbungsgespräche sollte eine weitere rechte Unterwanderung der Partei verhindert werden. Daraufhin hatte einer der drei Ortsverbände in Mitte, wo die Nationalliberalen Fuß zu fassen versuchen, das Landesschiedsgericht angerufen.

Nach Angaben von FDP-Pressesprecher Bernd Kämpfer hat der Landesvorstand seit Anfang des Jahres „deutlich unter zehn Bewerber“ abgelehnt. „Die FDP ist nicht die AOK und verpflichtet, jeden aufzunehmen“, verteidigte Kämpfer „die Pflicht und das Recht“ von Bewerbergesprächen. Im Ortsverband Mitte wurden zwei Bewerber, ein ehemaliger Rechtsextremist und ein Angehöriger des erzkonservativen Bundes Freiheit der Wissenschaft, abgelehnt, weil ihr Wohnbezirk nicht mit dem beantragten Mitgliedsbezirk übereinstimmte. Auf diese Art hatten in den vergangenen Jahren vorwiegend Anhänger des nationalliberalen Flügels um Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl mehrere Bezirksverbände unterwandert. „Der Flügel um Alexander von Stahl versucht nach wie vor, einen Bezirk nach dem andern in sein Fahrwasser zu kriegen“, meinte Gerd Moll, Vorsitzender des Bezirksverbandes Mitte, der seit Jahresanfang zwanzig neue Mitglieder hat.

Der rechte Flügel der FDP nahm die am Dienstag abend gefällte Entscheidung, daß nur Leute abgelehnt werden dürfen, gegen die etwas Konkretes vorliegt, mit Genugtuung auf. „Die Politik der Ausgrenzung und Dämonisierung ist gescheitert“, jubelte der Tempelhofer Bezirksvorsitzende Klaus Gröbig. Von einer „Schwächung des rechten Flügels“ könne nicht die Rede sein. Die Bereitschaft, es mit Alexander von Stahl zu versuchen, wachse. Die Machtverhältnisse in der Partei – „ein Drittel Nationalliberale, ein Drittel vom linken Flügel und ein Drittel indifferent“ – seien „relativ festgezurrt“, so Gröbig weiter. Es sei „unmöglich“, daran etwas zu ändern. Doch ganz so ernst kann es Gröbig mit dem eingeforderten Zuwachs von neuen Mitgliedern doch nicht sein. „Ich brauche keine neuen Mitglieder, um Bezirksvorsitzender zu bleiben“, sagte er.

Weitere Querelen in der Partei mit derzeit etwa 2.800 Mitgliedern sind vorprogrammiert. Nach Angaben von Gröbig wird ein Parteiausschlußverfahren gegen den stellvertretenden Vorsitzenden und das Mitglied des Landesvorstands, Helmut Königshaus, geprüft. Der rechte Flügel hatte wohl auf Königshaus, der mit dem linken Parteiflügel wenig am Hut hat, als Gegengewicht im Vorstand gehofft. Derzeit würden bereits Unterschriften gegen Königshaus gesammelt. Der Parteivorsitzende Matz könne sich darauf einstellen, „seine Koffer zu packen“, tönte Gröbig selbstbewußt.

Der Landesvorstand indes nimmt die Entscheidung des Landesschiedsgerichts gelassen auf. „Es ist nie erfreulich, ein Schiedsgerichtsverfahren zu verlieren“, so Pressesprecher Kämpfer. „Das läßt den Vorstand aber nicht erzittern.“ Die Absicht, die rechte Unterwanderung der Partei zu stoppen, sei keineswegs gescheitert. Ob der Landesvorstand das Bundesschiedsgericht anrufen wird, sei derzeit noch offen. Das geplante Parteiausschlußverfahren gegen Königshaus bezeichnet Kämpfer als „Säbelrasseln“, das der Parteiarbeit nur schade. Barbara Bollwahn

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