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Taliban kurz vor der Eroberung Kabuls

■ Der Weltsicherheitsrat fordert einen Waffenstillstand und Verhandlungen in Afghanistan. Das Internationale Rote Kreuz meldet Hunderte von Toten - die Kämpfe um die Hauptstadt gehen weiter

Islamabad/Kabul/New York (dpa/AP/AFP) – Die radikal-islamistischen Taliban-Milizen in Afghanistan haben gestern ihren Vorstoß auf die belagerte Hauptstadt Kabul weiter vorangetrieben. Gut zwei Drittel des Landes kontrollieren die Taliban bereits – die Eroberung der Hauptstadt würde den endgültigen Sieg der Milizen über die Regierungstruppen bedeuten. Nach Meldungen der afghanischen Nachrichtenagentur AIP stehen sie bereits acht Kilometer vor dem Zentrum in den östlichen Vororten Pul-e-Charkhi und Butkhak. Die ganze Nacht über hatten sie die Hauptstadt mit Raketen beschossen.

Die Regierung in Kabul bombardierte die Taliban bei ihrem Versuch, die östlichen Verteidigungslinien zu durchbrechen, aus der Luft. Die Frontlinie im Südwesten der Stadt sei bereits durchbrochen, erklärte ein Taliban-Sprecher. In seinem Hauptquartier im südlichen Kandahar verkündete Mullah Omar, der Oberkommandierende der Taliban, eine Amnestie für jeden, der sich ergebe. Dies gelte auch für Präsident Burhanuddin Rabbani. Vor allem vom Kargh-Hügel im Südwesten wurden gestern heftige Kämpfe gemeldet. Die Taliban-Milizen belagern seit Monaten den Westen und den Süden der afghanischen Hauptstadt.

Die nunmehr von allen Seiten bedrängte Regierung von Gulbuddin Hekmatjar hatte am Mittwoch behauptet, die anrückenden Taliban aus den Vororten vertrieben und nach Mahipar, rund 25 Kilometer östlich von Kabul, abgedrängt zu haben. Dafür gab es von unabhängiger Seite bislang keine Bestätigung. Nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes sind bei den Kämpfen um Kabul mehrere hundert Menschen getötet oder verletzt worden.

Der Weltsicherheitsrat in New York hatte in der Nacht zu gestern an beide Seiten appelliert, die Kämpfe um Kabul sofort einzustellen und in ernsthafte Verhandlungen einzutreten. Der stellvertretende afghanische Außenminister Abdul Rahim Ghafoorzai hatte die Sondersitzung des Sicherheitsrates beantragt. Pakistanische Milizen, erklärte er, seien in Afghanistan einmarschiert, um die Taliban zu unterstützen. Der pakistanische Botschafter Ahmad Kamal widersprach diesen Angaben und behauptete seinerseits, die Erfolge der Taliban seien nicht zuletzt auf massenhaftes Desertieren aus den afghanischen Regierungstruppen zurückzuführen.

Die Ratsmitglieder, sagte der derzeitige Präsident des Sicherheitsrates, Alfredo Lopez Cabral aus Guinea-Bissau, seien besonders besorgt über die „ersten humanitären Folgen, die der Kampf um Kabul für die zivile Bevölkerung der Stadt“ haben könnte. In der afghanischen Hauptstadt leben etwa 750.000 Menschen.

Am Mittwoch hatten die Taliban-Milizen mit der Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Sarobi (70 Kilometer östlich von Kabul) einen entscheidenden Durchbruch von Osten her in Richtung Hauptstadt erzielt. Dabei waren ihnen auch zwei für die Stromversorgung Kabuls wichtige Kraftwerke in die Hände gefallen.

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