: Auf der Straße durchsetzen
Anti-Atom-Herbstkonferenz in Hamburg: Initiativen fordern die Auflösung der Energiekonzerne und kritisieren die Grünen ■ Von Marco Carini
Sie sind den Grünen nicht mehr grün. Auf der bundesweiten Herbstkonferenz der Anti-Atom-Bewegung in Hamburg gab es an diesem Wochenende vor allem kritische Töne über die Öko-Partei zu hören.
„In allen Bundesländern, in denen die Grünen sich an der Regierung beteiligt haben, wurde der Konsens mit uns aufgebrochen“, klagt etwa Volker Matthias vom Anti-Atom-Büro. Die grüne Parlamentsarbeit sei „eine große Enttäuschung“, die beweise, daß der Atomausstieg „nur auf der Straße durchzusetzen“ sei.
Besonders heftige Kritik übte eine Vielzahl der 190 Konferenz-TeilnehmerInnen an der rot-grünen Landesregierung in Kiel, die nach der Genehmigung zum Wiederanfahren des Brunsbüttler Atommeilers bereits durchblicken ließ, auch das AKW Krümmel bald wieder ans Netz gehen zu lassen. Die Grünen würden „ihre auf geduldigem Papier verfaßten Ausstiegsbeschlüsse“ so „ad absurdum führen“, ohne daß es in dieser Partei überhaupt „zu politischen Auseinandersetzungen kommt“.
Daß das Tuch zwischen den Grünen und der Anti-Atom-Bewegung zerschnitten ist, zeigt auch die fehlende Präsenz von Mandatsträgern der FDP-Nachfolge-Partei. Grüne Abgeordnete der Landesparlamente in Kiel und Hamburg ließen sich auf der Anti-AKW-Tagung in den Räumen der Universität am Von-Melle-Park gar nicht erst blicken.
In 15 Arbeitsgruppen versuchten die aus über 50 verschiedenen Initiativen aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten KernkraftgegnerInnen der „seit den Castor-Transporten wiedererstarkten“ Bewegung neues Profil zu geben. Im Mittelpunkt stand das Thema „wirtschaftliche Verflechtung der Atomindustrie“. Um diese einzudämmen, sprach sich die Tagung dafür aus, die großen Energiekonzerne aufzulösen und „die Stromversorgung auf die kommunale und lokale Ebene unter Einschluß von Betreibergemeinschaften zu verlagern“. Wie die Stromriesen allerdings aufgeknackt werden sollen, blieb im dunkeln.
Das Thema „Castor-Transporte“ wurde mit der obligatorischen Feststellung verbunden, daß sich die „Anti-AKW-Bewegung nicht in gewaltfreie und militante Gruppen spalten“ lasse, sondern bei der Wahl der Aktionsformen weiter nach dem Motto „Vielfalt in der Einheit“ vorgehe. Ob der „Kampf gegen den Castor“ nun auch gleichzeitig einen „Kampf gegen das herrschende System“ impliziere, wurde ebenfalls offengelassen.
Fest steht nur: Auf den nächsten Castor-Transport nach Gorleben, der voraussichtlich noch in diesem Jahr stattfinden wird, sind die Anti-Atom-Initiativen gut vorbereitet. Zum gemeinsamen Probe-Training für den dritten Tag X treffen sich Polizei und ProtestlerInnen schon heute regelmäßig am Castor-Gleis in Dannenberg. Seit dem 15. September finden dort jeden Sonntag öffentliche Schienen-Demontagen am Atommüll-Verladekran statt, die immer wieder von den „Ordnungshütern“ verhindert werden.
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