: Event gegen Musik
■ Zum Konzert Roger Norringtons im Eduscho-Terminal
Auf die Beziehungen zwischen Ludwig van Beethovens Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“ (1801), von der man immer nur die Ouvertüre hört, und seiner dritten Sinfonie „Eroica“ wird man selten hingewiesen. Und doch liegt dem letzten Satz der Sinfonie das Thema des Finales der Ballettmusik zugrunde. Der Held Prometheus, der den Menschen neues Leben gab, hat er etwas zu tun mit dem „großen Menschen“ aus Beethovens Widmung?
Spannend also, dem hörend auf den Grund zu gehen und sich zu erinnern, daß Beethoven 1804 wütend die ursprüngliche Widmung an Napoleon zerriß, nachdem dieser sich die Kaiserkrone aufgesetzt hatte.
Aber Pustekuchen, denn wir haben das Konzert des Musikfestes im Eduscho-Terminal hinter uns. Hall, Lautsprecher, eine rauschende Lüftungsanlage, eine hysterisch herumzuckende Kamera, die in ihrem Eifer auch mal einen der blendenden und heißen Scheinwerfer trifft. Ansonsten Kälte und ein riesiges Filmbild an der Seite, das Details aus dem Orchester zeigte und für Verwirrung in der Hörorientierung sorgte. Da fand Roger Norrington mit dem Traditionsorchester „Bamberger Symphoniker“ keinen Ort. Seltsam matt und ungenau klang das alles. Dann wurden auch noch die drei ausgewählten Sätze aus „Prometheus“ durch die Wiedergabe zweier Arien – eine Konzert-Arie und die große Leonoren-Arie aus Fidelio – von Beethoven auseinandergerissen. Verständlich, daß die treffliche Sopranistin Charlotte Margiano nicht zwei Riesen-Arien hintereinander singen kann und will, für die Idee des Programmes war dieser Wunschkonzertwechsel sinnlos.
Dafür schien sich Norrington nach der Pause mit der Wiedergabe der „Eroica“ der Macht der musikfeindlichen Verhältnisse nicht beugen zu wollen. So, wie man ihn kennt, animierte er mit sichtbarem Durchsetzungswillen die MusikerInnen zu einer atemberaubend vorwärtspeitschenden Musik der Utopie, der Befreiung. Leichtigkeit und Transparenz, Präzision in Phrasierung und Artikulation und immer wieder die Überführung kammermusikalischer Feinarbeit in die sinfonische Geste: ein Paukenschlag hinreißender und aufregender Interpretation.
Die Schere zwischen „Klassik light“ und „Klassik elitär“ will Musikfestmacher Thomas Albert mit dem Programm und mit den Raumkonzepten schließen: Im Falle des Eduscho-Terminals geht eine ganz andere Schere auf, die sich nicht schließen wird. Das Event findet zwar statt, aber ob es noch mit Musik zu tun hat?
Ute Schalz-Laurenze
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen