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Blair goes Gingrich: „Vertrag mit dem Volk“

■ Eifrig beklatschte der Labour-Parteitag die Rede von Parteichef Tony Blair. Eklat in der Debatte über Großbritanniens Beitritt zur Europäischen Währungsunion

Blackpool (taz) – Der britische Labour-Chef Tony Blair hat gestern „ein neues Zeitalter der Leistung“ als Ziel einer Labour-Regierung in Großbritannien verkündet. „Wir haben 1.000 Tage, um uns auf 1.000 Jahre vorzubereiten“, rief er in seiner Grundsatzrede vor dem völlig überfüllten Parteitagssaal und versprach „eine große, radikal-reformistische Regierung“, um Großbritannien ins nächste Jahrtausend zu führen. Labour ist sicher, bei den spätestens Mai 1997 anstehenden Parlamentswahlen zu gewinnen und dann ganz lange im Amt zu bleiben. Blair hat nun in Nachahmung des US-Republikaners Newt Gingrich einen „Vertrag mit dem britischen Volk“ aus zehn Punkten vorgestellt, der unter anderem weniger Arbeitslosigkeit, weniger Sozialausgaben und mehr Bildungsausgaben beinhaltet. „Meine drei Prioritäten für die Regierung lauten: Bildung, Bildung, Bildung!“, sagte er. Es sei Labours Ziel, die Potentiale aller Bürger zu entwickeln. „Man wird uns in der Welt beneiden, nicht nur wegen unserer Schlösser und Paläste und unserer glorreichen Geschichte, sondern weil wir den Generationen das Erbe der Hoffnung zurückgegeben haben“, sagte Blair und versprach „Neue Energien, neue Ideen und neue Führung“.

Am Vormittag hatte der Parteitag sich in Sachen Europa zum Teil hinter die Positionen von Premierminister John Major gestellt und eine Resolution verabschiedet, wonach eine endgültige Aussage über den britischen Beitritt zur europäischen Währungsunion jetzt noch nicht getroffen werden soll. Die Währungsunion „könnte Großbritannien wesentlichen Nutzen bringen“ heißt es, man sei aber „besorgt über die Einführung einer gemeinsamen Währung, während die Arbeitslosigkeit in Europa so hoch ist“. Dick Pickering von der Gewerkschaft GMB, der den von der Parteiführung gebilligten Text vorstellte, sagte, der EU- Termin für die Währungsunion sei „unrealistisch“ und solle verschoben werden. Zuvor sagte Schattenaußenminister Robin Cook, vor einem britischen Beitritt zur Währungsunion müsse es in der EU erst Konvergenz in Produktions-, Investitions- und Arbeitsplatzniveau geben. Er versprach jedoch, Großbritannien werde nach einem Labour-Wahlsieg bis Ende 1997 der EU-Sozialcharta beitreten.

Zu einem kleinen Eklat kam es, als der frühere außenpolitische Sprecher der Partei, Peter Shore, aus Zeitgründen nicht reden durfte. Er beschwerte sich bei der Konferenzleitung und wurde von Zwischenrufern unterstützt. Sichtlich erregt sagte er hinterher der taz, er sei „sehr enttäuscht“ über die Labour-Haltung zu Europa. „Wir sollten klar nein zu einer gemeinsamen Währung sagen“, erklärte er. Auch Labour hat ihre Euro-Skeptiker. Dominic Johnson

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