: Anwalt abzugeben
■ Lübeck: Verteidiger mit Eigeninteresse
Die Trauer sitzt tief, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geben Rätsel auf, und die Abschiebung ins Herkunftsland droht. Joao Bunga hat nun ein weiteres Problem: Der Überlebende der Lübecker Brandnacht im Januar wird seinen Anwalt Ulrich Haage nicht los. Im Prozeß gegen den Libanesen Safwan Eid, in dem Bunga als Nebenkläger auftritt, beantragte er am Mittwoch, Haage zu entbinden. Der jedoch sei sich „keiner Pflichtverletzung bewußt“ und deutete stattdessen an, daß er womöglich auch gegen den Willen seines Mandanten auf dem Verteidigersessel zu bleiben gedenkt. Darüber entscheidet das Lübecker Landgericht nächste Woche.
Der Konflikt zwischen Bunga und Haage schwelt seit vorvergangenem Mittwoch. Haage hatte einen Befangenheitsantrag gegen den Brandsachverständigen Ernst Achilles gestellt – ohne seinen Mandanten Bunga über die Folgen des Antrages zu informieren, der der Verteidigung von Safwan Eid massiv in den Rücken fällt. Als Bunga das erfuhr, sei er entsetzt gewesen, erklärte er vor Gericht und zog den Antrag zurück. Haage sagte dazu lapidar, ihm sei nicht bekannt gewesen, daß Bunga den Sinn der Nebenklage offenbar anders verstehe als er. Das konnte ihm auch nicht bekannt sein. Denn Haage hat sich Bunga zufolge vor dem Prozeß kaum mit ihm besprochen, ihn nicht einmal gefragt, wie er persönlich die Brandnacht erlebt hatte.
Daß Haage eher seine eigene Profilierung als die Interessen seines Mandanten verfolgt, zeigte sich am Mittwoch, als Bunga mit seinem neuen Vertrauensanwalt Matthias Wagner vor Gericht erschien. Haage jedoch blieb seelenruhig sitzen, blickte nur hilfesuchend zu Staatsanwalt Michael Böckenhauer. Der sprang ihm zur Seite, belehrte das Gericht, daß „die Nebenklage einen bestimmten Sinn und Zweck verfolgt“ – bis Safwan Eids Verteidigerin Barbara Klawitter ihn daran erinnerte, daß die Wahl des Anwaltes ein höchstpersönliches Recht des Mandanten, nicht aber der Staatsanwaltschaft ist. Elke Spanner
Siehe Bericht Seite 4
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