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„Noch leben wir“

■ Bremer Werften bei der Hamburger Schiffbaumesse / „Vielleicht hätte Vulkan zuhause bleiben sollen“

Die Stimme des Mannes von der Schichau-Seebeckwerft (SSW) schwankt zwischen Mitgefühl und Häme. „Vielleicht hätten die besser nicht kommen sollen. Zu verkaufen haben die ja eh nichts“, sagt der Bremerhavener und deutet unauffällig in die Ecke der Bremer Vulkan-Werft. SSW hingegen könne nach der Abnabelung vom bankrotten Vulkan-Verbund wenigstens Verkaufsgespräche führen. Druckreif sei aber noch nichts.

Freundschaftlich geht es nicht gerade zu am Stand 007 in Halle 12 des Hamburger Messegeländes, wo sich die Unterweser-Werften des ehemaligen Vulkan-Verbundes unter mehr als 1.000 Ausstellern aus 40 Ländern „zusammen aber doch nicht so richtig zusammen“ seit einer Woche präsentieren.

„Wir hatten Glück, daß wir nach der langen Unsicherheit wegen des Konkurses überhaupt noch einen Platz in der Schiffbauhalle bekommen haben“, heißt es. Gute Beziehungen zum Messe-Beirat waren behilflich. Nun warten alle auf den Ex-Verbund-Führer Friedrich Hennemann. Der soll, so gehen Gerüchte, bei der Messe sein. Gesehen hat ihn am Bremer Werftenstand aber noch niemand. Dafür war der neue Gesellschafter der Trägergesellschaften von Lloyd und SSW da. Wolfgang van Betteray, auch Konkursverwalter bei SSW, warb um Vertrauen bei potentiellen Investoren, die 30 Millionen Mark Kapital für die neue Firma aufbringen sollen.

Zwischen SSW und Vulkan liegt als Pufferzone das Terrain der Lloyd-Reparaturwerft. Die Bar unter den blitzenden Farbfotos des ausgelieferten Kreuzfahrtriesen „Costa Victoria“ ist eng umlagert. „Lloyd hat guten Zulauf“, wird am Gemeinschaftsstand erzählt, auch wegen der Werbung mit dem prominenten Neubau. „Dabei haben wir das Schiff konstruiert und auch das meiste gebaut“, sagt der Mann in der Vulkan-Ecke. Die Vegesacker zeigen in ihrer Vitrine das Modell eines Frachters, Baujahr 1990. An der Wand hängt das Bauprogramm für Containerschiffe.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Messe-Besuchern verrät kein Namensschildchen die Herkunft des Mannes am Vulkan-Stand. Auch die Visitenkarte will er nicht so leicht herausrücken. „Kostet alles Geld“. Wer kommt, dem muß der erfahrene Schiffbauer meist den Schwebezustand der Werft und die Chancen für ein Überleben erklären. Allerdings: Nach einem neuen Arbeitsplatz habe er sich, ganz loyal, noch nicht erkundigt. Dabei schenken die opulent repräsentierende Kieler HDW oder die Bremer Hegemann-Gruppe gleich in der Nachbarschaft Sekt aus.

Gegenüber, am Stand der ehemaligen Vulkan-Tochter MTW Werft Wismar leuchten Lämpchen auf einem Modell der neuen Kompakt-Werft auf. Der Bau geriet ins Stocken, weil die Treuhand-Subventionen in den West-Betrieben des Vulkan versackt waren. Unterschwelligwerfen viele Kollegen aus dem Osten das den Wessis vor, wird am Tischchen im Vulkan-Eck erzählt. „So nach dem Motto: Ihr habt uns die Millionen geklaut“. Dabei sei doch niemals eine Mark aus dem Osten in die Werften an der Weser geflossen. „Das hat doch alles der Verbund entschieden, nicht wir“. Um endlich aus dem Strudel des Vulkan-Debakels herauszukommen, denkt man in Vegesack über eine Namensänderung für die Werft nach. Im Aufwind präsentiert sich dagegen die Bremer High-Tech-Schmiede STN Atlas Elektronik. Die Computerschirme der Navigationssysteme und elektronischen Seekarten sind von Menschentrauben umlagert. STN Atlas meldet auch schon einige lukrative Abschlüsse mit Werften aus Italien und fortgeschrittene Gespräche mit neuen Kunden aus Fernost. Nichts erinnert auf dem großen STN-Atlas-Gelände am Messe-Haupteingang an die Vergangenheit im Vulkan-Verbund. Auch das gigantische Maschinenteil der „Costa Victoria“ scheint mit den Werften nichts zu tun zu haben. Im Vulkan-Eck schaut man ein bißchen wehmütig auf die ehemalige Schwester-Firma. „Aber wenn wir zu Hause geblieben wären, hätten alle gesagt, jetzt ist alles aus. Noch leben wir“. Joachim Fahrun

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