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Der Laminator von Halle 6 Von Sotscheck, Ringel & Rönneburg

„Machen die Mädchen auch mit?“ Mit einem sehr großen, blasenfüllenden Bier (23,50 Mark) in der Hand kommt freudestrahlend Horst Tomayer vom drei Boxen entfernten Konkret- zum taz- Stand, wo soeben der letzte Wahrheit-Klubmitgliedsausweis vom Vorstand laminiert worden ist.

Wir schreiben Samstag, den ersten Publikumstag auf der Frankfurter Buchmesse. Gangschleicher und Doppeltütenschlepper verstopfen die Zufahrten der für teures Geld erkauften Repräsentationsflächen fast aller Verlage. Schwer liegt ein unausgeklopfter Krieg-ich-was-umsonst-Klangteppich über der Halle 6.0. Um halb vier grüßen vorbeihuschende Autoren, Nebel im Blick, freundlich, aber bestimmt: „Guten Morgen!“ Am taz-Stand signiert Tom auf Wunsch einige in alte taz-Ausgaben gewickelte, nasse Fische.

In einer Ecke findet derweil der langangekündigte, interne und internationale Bauchvergleich („Belly Competition“) zwischen W. Droste, H. Rowohlt und R. Sotscheck statt, während The McGuffin – der originale „Fette Bastard“ (Edition Nautilus) – gerade das dritte Glas Prosecco feierlich seinem irischen Schlund widmet. „Ich gewinne um mehrere Dezimeter“, murmelt der ganz in Schwarz- macht-schlank gekleidete taz-Auslandskorrespondent entsetzt in seinen Bart. Kleinlaut gestehen Droste und Rowohlt ihre Niederlage ein. Aber nächstes Jahr...

...bleibt alles beim alten. So geht das (Kurt Vonnegut). Trotzdem kann Herr Sotscheck seine Freude nicht verhehlen, und so mancher Messebesucher stellt kopfschüttelnd seine Taschen voller Prospekte, Aufkleber, sabschiger Kaffeefilter und Kugelschreiber ab, als der irische Bauchkönig voller Glück über seinen Sieg ein Rad schlägt und dabei die Aussteller vom gegenüber beheimateten Verlag „Stroemfeld/Roter Stern“ nachhaltig beschädigt. Doch die Stimmung steigt. Und es entsteht ein Plan.

In einer nicht weit genug abgelegenen Ecke der Halle 6.0 hat sich die „Junge Freiheit“ zu breit gemacht. Die krawattösen Himmler- Anhimmler haben im Nachbargang ihr Zwei-mal-zwei-Meter-Lager aufgeschlagen. „Abreißen“, brummt H. Rowohlt und wirft sich in den Bauch. Mehr und mehr Männer von Gewicht sammeln sich am taz-Stand. Bier und Prosecco fließen, die Blasen schwellen. Bis zur nächsten Toilette ist es weit. „Das teure Bier“, mahnt Frau Rönneburg. „Aber wie sollen denn die Mädchen?“, kichert H. Tomayer, während sich die Standbesucher unter der Führung ihres vollbläsigen Herrn und Meisters Ringel eilig auf den Weg zum rechtsradikalen Organ machen.

Sie folgen einer alten Tradition. Damals, 1968 nämlich, begaben sich just an diesem Ort holländische Provos zum Messestand des Suhrkamp-Verlages und urinierten vor den Augen des mit hochroter Bombe protestierenden Unseld, Siegfried des Älteren, auf die Schutzumschläge sorgfältig aufgestapelter Klassiker.

Am taz-Stand erkaltet still der Laminator, der mehr als hundert Wahrheit-Klubausweise eingeschweißt hat. „Einer geht noch, einer geht noch...“, hallt es durch die Halle. Mit ihrem Schlachtruf ziehen die Männer von dannen. Die Mädchen winken mit ihren Halstüchern. Ob sie doch noch zum Einsatz kamen, erfahren Sie in der nächsten Folge.

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