: Aus Scham eher die Zunge abgebissen
■ 54jähriger, der als „Held von Miami“ Schlagzeilen machte, wegen sexueller Nötigung von vier Jungen angeklagt. Opfer am Bahnhof Zoo kennengelernt
In der Boulevardzeitung heißt er kurz: „Der Held von Miami“. Diesen Titel bekam der 54jährige Karl Z. im Frühjahr 1994 von Miami im US-Bundesstaat Florida verliehen. Der kleine, untersetzte Mann mit der eingedrückten Boxernase hatte damals die Festnahme eines Raubtäters ermöglicht. Dafür war der deutsche Tourist mit Ehren überschüttet worden. Der ganze Distrikt erklärte einen Tag zum „Karl Z.-Tag“ und ernannte ihn zum Ehrenmitglied der Tourismuspolizei.
Die Tat, die ihn gestern als Angeklagten vor das Amtsgericht brachte, ist weniger rühmlich. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Kunsthändler vor, sich an vier Strichjungen vergangen zu haben. An nicht mehr genau bestimmbaren Tagen zwischen Januar und August 1992 soll Z. die 15- und 17jährigen Jungen sogar über Nacht bis zum nächsten Tag in seiner Wohnung festgehalten, geschlagen und sexuell genötigt haben.
Daß zwischen den Taten und dem Prozeßbeginn soviel Zeit verstrichen ist, hat mehrere Gründe. Zunächst hatte es einige Zeit gedauert, bis sich die üblen Praktiken eines gewissen Freiers in der Stricherszene herumgesprochen hatten. Der Mann fiel dadurch auf, daß er stets mit einer Pelzmütze bekleidet war, als er die Jungen ansprach und für ganz gewöhnliche sexuelle Handlungen in seiner Wohnung kaufte. Nachdem er dort abgeschlossen hatte, forderte er die Jungen unter Androhung von Gewalt auf, ihn stundenlang mit dem Mund zu befriedigen. Einen der 17jährigen fesselte und vergewaltigte er.
Aber selbst als diese Praktiken bekannt geworden waren, „hätten sich die Jungen aus Scham über das, was ihnen passiert war, eher die Zunge abgebissen als zur Polizei zu gehen“, sagte gestern ein Insider vor der Saaltür. Der Insider, der früher selbst auf den Strich gegangen war, überredete die Jungen eigenen Angaben zufolge zu einer Anzeige und begleitete sie zur Staatsanwaltschaft.
Danach vergingen weitere Jahre. Das Gericht eröffente viermal den Prozeß, doch Z. kam nicht. Einmal war er erkrankt, dann war ein Anwalt verhindert, dann lag er im Krankenhaus, und beim vierten Mal ließ er sich gerade in Thailand an den Bandscheiben behandeln. Gestern mußte er kommen, weil inzwischen ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt. Aber Z. saß nur einen Tag, er befindet sich inzwischen wieder gegen Kaution und Meldeauflagen auf freiem Fuß. Der Mann, der seine Boxernase von seinen sportlichen Jugendaktivitäten davongetragen haben will, stellte sich als Opfer der Strichjungen dar und bestritt jegliche gewaltsamen Handlungen. Daß ihn die Jungen bisweilen stundenlang oral befriedigen mußten, liege an seinen erheblichen Potenzproblemen, sagte Z. Deshalb sei es ihm auch nicht möglich, den Analverkehr durchzuführen, sagte er. Der Angeklagte, der die Jungen mit dem Hinweis eingeschüchtert haben soll, daß er früher Boxer war, stellte sich als Softie dar. Er sei sehr romantisch und liebe es einfach, dazuliegen und zu schmusen und zu streicheln. Er erklärte, große Probleme mit seiner „homosexuellen Neigung“ zu haben. „Ich finde das nicht richtig und habe manchmal Ekel vor mir selber.“ Die Vernehmung der Zeugen fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Der Prozeß wird fortgesetzt. plu
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen