: Hoffnung auf grenzenlose Hilfe
■ Bei den Rad-Weltmeisterschaften auf schweizerischen Straßen will Tour-Sieger Bjarne Riis seine Saison krönen
Lugano (dpa) – Wer erfolgreich die Radsport-Saison 1996 überstehen will, braucht einen langen Atem. Mit der Straßen-Weltmeisterschaft in Lugano steht von heute bis Sonntag der letzte große Höhepunkt auf dem randvollen Jahresprogramm. Bei den Titelkämpfen im Tessin – Ende August in Manchester hatten zum ersten Mal separat die Bahnfahrer ihre Weltmeister ermittelt – ist die Liste der fernbleibenden Prominenz fast so lang wie die der WM-Willigen. Olympiasieger Pascal Richard (Schweiz) verzichtete wegen Formverfalls genauso wie der fünfmalige Tour-de-France-Gewinner Miguel Induráin (Spanien), der weiter darüber nachdenkt, ob er überhaupt noch einmal aufs Rad steigen soll. Der Tour-Zweite Jan Ullrich, der im Urlaub weilt, fehlt ebenso wie Deutschlands schnellster Sprinter Erik Zabel, dem das schwierige Streckenprofil des WM-Rennens über 252 km überhaupt nicht zusagt.
Die größten Hoffnungen der deutschen Delegation ruhen auf Udo Bölts. Dem Überraschungs- Sieger des Weltcup-Rennens von San Sebastian scheint der Kurs mit zwei schweren Steigungen auf den Leib geschneidert zu sein. Bölts selbst wiegelt aber ab: „Ehrlich gesagt, habe ich ein bißchen Bammel. Meine große Form ist weg. Aber vielleicht erwische ich am Sonntag einen guten Tag.“
Uwe Peschel, Mannschafts- Olympiasieger von Barcelona, träumt beim Einzelzeitfahren über 40,4 km von der Wiederholung seines Triumphes im Vorjahr, als er in Kolumbien Bronze geholt hatte. Zwischen dem Top-Favoriten Chris Boardman (England), der den Stunden-Weltrekord auf 56,375 km schraubte, und seinem Vorgänger Tony Rominger (Schweiz) wird ein spannender Kampf um WM-Gold erwartet. Wobei Rominger, Gewinner beider Zeitfahren bei der Spanien- Rundfahrt, die schlechteren Karten zu haben scheint.
Als die aussichtsreichsten Fahrer beim Straßenrennen zum WM- Finale gelten neben den Schweizern Rominger, Laurent Dufaux und Vuelta-Sieger Alex Zülle vor allem die Franzosen mit dem Ex- Weltmeister Luc Leblanc, Richard Virenque und dem Weltranglisten- Ersten Laurent Jalabert. Nicht zu vergessen die bei Championaten traditionell starken Italiener, bei denen sogar Doppel-Weltmeister Gianni Bugno noch einmal aufs Treppchen schielt. Sicher ist sicher: In Florenz unterzogen sich alle italienischen WM-Starter vorsorglich einer Doping-Kontrolle.
Auch Tour-Sieger Bjarne Riis will sich auf seinen Lorbeeren nicht ausruhen. Der 32jährige Däne, der gerade einen millionenschweren Vertrag bei Telekom unterschrieben hat, verzeichnet eine deutlich steigende Formkurve und meldet ernstzunehmende WM- Ambitionen an. Bölts: „Der will gewinnen.“ Trotz unterschiedlicher Nationaltrikots könnte Riis im Bedarfsfall sicher auf grenzüberschreitende Hilfe der Telekom-Fahrer rechnen. Bölts drückt sich diplomatisch aus: „Natürlich fahren wir an diesem Tag für Deutschland, aber ich würde das Rennen natürlich nicht blockieren, wenn Bjarne wegfährt.“
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