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Ausstieg? Was für'n Ausstieg?

■ Kiel will AKW Brunsbüttel abschalten / Norwegens Wasserstrom und Kohlekraft statt AKWs / Umweltbehörde: „Wenig originell“ Von Heike Haarhoff

Stell dir vor, ein Energie-Minister ruft zum AKW-Ausstieg auf, und niemand fühlt sich davon betroffen. So reagierten gestern die Hamburger Umweltbehörde und die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) auf die Forderung des schleswig-holsteinischen Energieministers Claus Möller (SPD), die HEW sollten den Gesellschafter-Vertrag über das Atomkraftwerk Brunsbüttel zu 1996, also zum nächstmöglichen Zeitpunkt, kündigen.

Der Stromlieferungsvertrag zwischen der norwegischen EuroKraft AS und der deutschen Eurostrom Trading GmbH – er wurde nach langen Verhandlungen Ende März vorgelegt und soll demnächst unterzeichnet werden (taz berichtete) – ist Möller zufolge „eine gute Chance für die HEW, den Satzungsauftrag, aus der Atomenergie auszusteigen, umzusetzen.“ Denn der Vertrag sieht vor, ein 550 Kilometer langes Seekabel zwischen Kristiansand in Norwegen und Brunsbüttel zu verlegen. Ab 2003 sollen dann täglich bis zu 1500 Gigawattstunden Strom aus norwegischen Wasser-Kraftwerken nach Hamburg fließen. Genug Strom, um den jährlichen Bedarf von 300.000 Menschen zu decken.

An dem AKW Brunsbüttel sind die HEW zu zwei Dritteln und die PreussenElektra zu einem Drittel beteiligt. Möller stellte der Betreiberin HEW zugleich den Rückkauf eines ehemaligen HEW-Grundstücks in Brunsbüttel in Aussicht, das „hervorragend für den Bau eines modernen Kohlekraftwerks“ geeignet sei. Ein Angebot, das der Pressesprecher der Hamburger Umweltbehörde, Kai Fabig, „wenig originell angesichts der Klimakatastrophe“ findet. Mit vernünftiger Energiepolitik habe das wenig zu tun. Auch die HEW wollten offiziell nicht Stellung zu den Kieler Vorschlägen beziehen. Es sei nicht ihre Aufgabe, auf politische Anfragen politische Antworten zu geben, ließ das städtische Energieunternehmen immerhin wissen.

Womit es auf den eigentlichen Adressaten des Möller-Vorstoßes, Umweltsenator Fritz Vahrenholt, anspielt. Der, zugleich HEW-Aufsichtsratsvorsitzender, hatte sich am 28. März in einem taz-Interview sehr vage darüber geäußert, ob der Norwegen-Strom der Einstieg in den Ausstieg aus der Atomenergie sei. Diese Frage, so Vahrenholt, „muß nicht heute entschieden werden“.

Und dem sei jetzt nichts hinzuzufügen, wortkargte sein Sprecher Fabig gestern. Herr Möller biete keine Neuigkeiten. Es bestehe auch gar keine Eile, den Vertrag schon 1996 zu kündigen, weil der Strom sowieso erst 2003 komme. Und das AKW Brunsbüttel sei ja zur Zeit ohnehin nicht am Netz.

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