: „Probleme nur in der Umsetzung“
■ Drogen im Knast: Kommission stellt Bericht vor / Justizsenator will neue Wege beschreiten
Hamburgs Justizsenator Klaus Hardrath möchte in der „Drogenpolitik im Knast“ neue Wege beschreiten. Reduzierung des Drogenangebots, verbesserte Drogenberatung und -therapien, kein kalter Entzug bei der Einlieferung ins Untersuchungsgefängnis (UG), Spritzentausch und komplikationsloser Zugang zu Kondomen. Das kündigte er gestern auf einer Pressekonferenz an.
Damit entspricht er weitgehend den Empfehlungen der im vorigen Sommer eingesetzten Drogenkommission, deren Bericht ebenfalls gestern veröffentlicht wurde. Die Kommission fordert darin detailliert die Ausweitung „medikamentengestützter wie auch abstinenzorientierter Hilfeangebote“ und macht Vorschläge, wie „dem Gesundheitsschutz der Gefangenen eindeutig und konsequent zu genügen“ ist. Vor allem bei der „Vergabe steriler Spritzen“, die nach Ansicht der Kommission „auch im Vollzug unbedingt angezeigt ist“, wird der Senator vermutlich auf den Widerstand der Gefängnisverwalter treffen: „In der Tat liegen die Probleme“, so sieht es der Senator selbst, „ausschließlich in der Umsetzung.“
Über 2900 Strafgefangene befinden sich derzeit in Hamburgs Knästen. Davon sind mindestens 600 Inhaftierte drogenabhängig, nochmal so viele gelten als drogenanfällig. Dennoch befinden sich lediglich 88 Häftlinge in Drogentherapien, in denen auch die Ersatzdroge Methadon ausgegeben wird.
Dieses Angebot sollte nach Auffassung der Expertenkomission weiter ausgebaut werden. Drogentherapien sollen zudem „nicht auf den Strafvollzug beschänkt“ sein, so Hardrath. Nach Auffassung des Senators ist es denkbar, daß ein Strafgefangener, der sich in eine Substitutionsbehandlung begeben möchte, diese auch außerhalb des Knastes durchführen kann.
Zugleich sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, daß ein Inhaftierter, der sich vor Haftantritt bereits in eine Thearpie begeben hatte, diese im Knast fortsetzen kann. Da dies derzeit im UG nicht zugelassen werde, wird sich Hardrath für eine Änderung stark machen: „Ich werde alles dran setzen, daß es schnell praktiziert wird.“ Denn unter den ExpertInnen hat die UG-Praxis des „harten Entzuges“ völliges Unverständnis ausgelöst. Hardrath will die neue Drogenpolitik durch eine „fachliche Weisungsbefugnis“ durchsetzen. Die Einsetzung eines neuen Chefarztes im UG-Zentralkrankenhaus soll die Voraussetzungen zur Rückkehr zu einem „humanen Entzug“ schaffen. Hardrath: „Das wird eine schwierige Operation, sie ist aber notwendig und sinnvoll.“
Mit erbitterten Widerstand muß Hardrath aber gegen sein geplantes Einwegspritzen oder Spritzentausch-Programm rechnen – ein Novum in der Bundesrepublik. Knastmitarbeiter haben immer wieder Ängste geäußert, Spritzen könnten als Waffen gegen sie eingesetzt werden. Hardrath: „Diese Angst ist nicht begründet, man muß sie aber ernst nehmen. Spritzen gibt es schon jetzt.“ In der Tat: Nur sind die Bestecke bis zu 80 mal benutzt.
Um den Widerstand gegen das Einwegspritzenprogramm zu brechen, wird Hardrath 80.000 Mark an Schulungsmaßnahmen bereitstellen, um das „Akzeptanzproblem“ zu lösen. „Wir werden dafür personelle Engpässe in Kauf nehmen.“ Kommissionsvorsitzende Dr. Ursula Gerhard: „Vielleicht sind die Bedenken durch ,learning by doing' abzubauen.“ Für den Suchtspezialisten Dr. Klaus Behrens vom AK Ochsenzoll kann es keine Alternativen zum Spritzentausch geben: „Aus seuchenpolitischen Erwägungen kann es gar keine zwei Meinungen geben.“
Dennoch geht auch der Justizsenator davon aus, daß es in dieser ideologisch behafteten Diskusssion Extrem-Positionen geben wird: „Diese Gegensätze müssen durch Argumentation aufgeweicht werden“. Zur Entzerrung sei es daher denkbar, spezielle Stationen für Abhängige einzurichten. Hardrath: „Einen regelrechten Drogenknast wird es aber nicht geben. Eine vollständige Verdrängung der Drogen im Strafvollzug ist aber auch Illusion.“ Kai von Appen
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