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Nicht der Bundeskanzler

■ Abhöraffäre weitet sich aus: Strafanträge gestellt / Behörden wiegeln ab / Senator Hardraht bewußt falsch informiert? Von Kai von Appen

Die Santa Fu-Abhöraffäre wird für den beteiligten Staatsanwalt Peter Stechmann ein juristisches Nachspiel haben: Der abgehörte GAL-Justizreferent Peter Mecklenburg kündigte gegenüber der taz an, Strafantrag wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis zu stellen. Unterdessen versucht die Justizbehörde, den Lauschangriff auf ihren Sprecher Jürgen Weinert sowie den GALier herunterzuspielen. Sprecherin Susanne Schill: „Es hat keinen Lauschangriff auf die Justizbehörde gegeben.“

In der Behörde schlugen gestern die Enthüllungen von taz und Spiegel über die Abhöraktion gegen Weinert – beiden Publikationen liegen die Abhörprotokolle vor – wie eine Bombe ein. Senator Klaus Hardrath sagte wichtige Termine ab, Krisenkonferenz folgte auf Krisenkonferenz. Erst am Abend zeigte sich die Behörde in der Lage, Stellung zu beziehen. Tenor: Es unterläge grundsätzlich der Entscheidung des Anklägers, ob die Telefonprotokolle hätten gelöscht werden müssen. Schills Einschränkung: „Der zuständige Staatsanwalt hätte dem Sicherheitsbeauftragten nur unter Aufsicht Akteneinsicht gewähren dürfen.“

Auch Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger wiegelte ab: „Wir haben die Justizbehörde nicht abgehört.“ Die Telefonüberwachung einer Vollzugshelferin wegen des Verdachts des Drogenschmuggels – der sich nicht bestätigt hat – sei rechtmäßig gewesen. Es seien hunderte von Gesprächen aufgezeichnet worden, darunter eben auch Gespräche mit Mecklenburg und Weinert. „Das hätte auch der Bundeskanzler sein können“, so Bagger.

Für Hamburgs Datenschützer Peter Schaar sind die neuesten Enthüllungen keine Bagatelle: „Es liegen ein klares Fehlverhalten der Staatsanwaltschaft und ein schwerwiegender Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis vor.“ Der Ankläger hätte die Protokolle der Telefonate mit Weinert und Mecklenburg nach Prüfung vernichten müssen. Schaar: „Eine Prüfung der Unterlagen hat aber niemals stattgefunden.“ Stattdessen hatte Stechmann die Protokolle, so Schaar, „ohne gesetzliche Grundlage“ dem umstrittenen Santa Fu-Sicherheitsbeauftragten Hans Seemann zur Verfügung gestellt. Schaar: „Das ist nach der Strafprozeßordnung ein Straftatbestand.“

Unterdessen liegen der taz weitere Beweise vor, daß Justizsenator Klaus Hardrath am vorigen Donnerstag vor seiner Aussage im Rechtsausschuß von Staatsanwaltschaft und Strafvollzugsamt bewußt falsch informiert worden ist. Hardrath hatte erklärt, die Überwachung sei aufgrund eines „anonymen Hinweises“ angeordnet worden. Als GALier Manfred Mahr ihm vorwarf, die „Unwahrheit“ zu sagen, drohte Hardrath dem grünen Polizisten sogar mit rechtlichen Konsequenzen.

Tatsächlich steht im Anfangsvermerk des LKA 263 (Landeskriminalamt) vom 26. September 1994: „Aufgrund der glaubwürdigen Angaben eines vertraulichen Zeugen steht fest, daß die ...(Vollzugshelferin, d. Red.) ... regelmäßig Betäubungsmittel – hier Kokain – in nicht unerheblichen Mengen in die JVA ... bringt.“

„Anonyme“ Zeugen gelten in der Regel nicht als „glaubwürdig“.

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