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Niemand träumt vom Paradies

Der Frauen-Volleyball krankt an Finanzen und Funktionären. Die Bundesliga beginnt dieses Wochenende, aber schon jetzt blickt alles neidvoll gen Münster  ■ Von Nina Klöckner

München (taz) – Draußen vor den Toren der westfälischen Stadt Münster liegt das bescheidene Anwesen von Reinhard Horstmann. Am Rande des Gartens, der wahrscheinlich drei Fußballfelder faßt, ist ein Swimmingpool eingelassen. Mitten auf dem wohlgepflegten Rasen hat sich Horstmann vor ein paar Jahren einen Beachvolleyballplatz aufschütten lassen. Aus Leidenschaft und Luxus leistet er sich zudem seit Jahren einen Volleyballverein. Der Unternehmer ist Vereinschef beim Erstligisten USC Müster. Und während Ahnungslose über dieses Engagement heftig den Kopf schütteln mögen, blicken die restlichen Bundesligisten neidvoll Richtung Münster.

Am Anfang hat Horstmann selbst investiert, inzwischen sind die Kontakte geknüpft, die nötigen Geldgeber zu finden kein großes Problem mehr. So tummeln sich immer mehr Spitenzspielerinnen in Münster, heftig darum bemüht, dem Manager auf gebohnertem Hallenboden für seine Dienste zu danken: In der vergangenen Saison gewann Münster Meisterschaft, Pokal und Europapokal. Viel wird sich daran wohl auch in der neuen Saison nicht ändern.

Von solch paradiesischen Zuständen wagen andere Vereine nicht einmal zu träumen, vor allem die Aufsteiger. Zwei neue Teams versuchen sich beim Saisonstart an diesem Wochenende in der ersten Liga, einer davon ist der TvdB Bremen, genauer der Turnverein der Bahnhofsvorstadt Bremen. Klingt nicht gerade nach Ruhm und Reichtum, aber für den Namen kann die Volleyballabteilung nichts, und deswegen „fangen wir jetzt erst mal mutig an“, sagt Eberhard Beckendorf, Manager beim TvdB. „Und dann sehen wir ja, wie die Sache läuft.“

Daß die Bremer gleich in ihrem ersten Spiel auf den anderen Aufsteiger aus Dingolfing treffen, ist Zufall, hat aber auch etwas Schicksalhaftes. Beiden Vereinen ist es bisher nicht gelungen, wenigstens einen Trikotsponsor zu finden, und Beckendorf gibt zu, geglaubt zu haben, „daß ein Erstligist leichter zu vermarkten ist“. Auch Toni Kiebler, beim TV Dingolfing zuständig für die Finanzen, ist durch die letzten Monate reichlich desillusioniert. Natürlich sei der Aufstieg in Dingolfing Stadtgespräch und für ihn „auch so etwas wie ein Lebenswerk“, aber deswegen greift noch lange kein Sponsor besonders tief in seine Tasche. So wird die erste Liga für die beiden Aufsteiger zumindest finanziell ein echtes Wagnis.

Von seiten des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) brauchen sich die finanzschwachen Vereine keine Hilfe erwarten. „Der Verband findet ja nicht statt“, sagt Horstmann und benennt als Beispiel die Öffentlichkeitsarbeit. Der Pressesprecher des DVV sei nicht mal bei den Olympischen Spielen in Atlanta gewesen, „und jetzt, wo die Liga anfängt, ist er im Urlaub“. Und der Fernsehvertrag mit ARD und ZDF wurde bis 1997 so geschickt abgeschlossen, daß die Volleyballer praktisch dafür bezahlt werden, daß sie möglichst wenig im Fernsehen zu sehen sind. Feste Zeiten gibt es nicht, wenn überhaupt Bilder gesendet werden, dann meist in den dritten Programmen.

Dem Verband zuviel Schuld zuzuweisen wäre allerdings auch falsch, schließlich haben die Bundesligisten ihre Vermarktung 1992 in die Hände der Volleyball-AG gelegt. Die wiederum hat es nicht leicht, für die Netzkünstlerinnen lukrative Geldgeber aufzutreiben, denn dafür, so Geschäftsführer Gerhard Eberl, „fehlt uns das Fernsehen“. So konnte in den vergangenen Jahren auch noch kein Titelsponsor für die Liga gefunden werden.

Zumindest aus sportlicher Sicht können die Aufsteiger mit weniger Bauchschmerzen in die erste Liga starten. Nach der vergangenen Saison verabschiedete sich mit Feuerbach ein weiterer Traditionsverein wegen finanzieller Nöte aus der ersten Liga. Aus gleichen Gründen wollte auch kein Verein nachrücken, so daß sich in diesem Jahr nur noch neun Vereine um den Titel streiten. Eigentlich bitter, „aber es hat auch etwas Gutes“, sagt Toni Kiebler. Um den direkten Abstieg zu vermeiden, „mußt du nur einen hinter dir lassen“. Sollte das gelingen, lassen sich dann vielleicht sogar Firmen finden, die auf dem Gewand der Volleyballerinnen verewigt werden wollen. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.

„Wir haben auch klein angefangen“, sagt Reinhard Horstmann, „man muß es nur finanziell durchstehen können.“ Leicht gesagt. Aber Horstmänner sind in Bahnhofsvorstädten wohl eher eine Seltenheit.

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