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Rotwein statt Dosenbier

■ Nach sechs Jahren Pause sind Metallica ein weltweit verständliches Konzept

„Ja“, sagt Kirk Hammett, „wir sind sehr daran interessiert, uns optisch weiterzuentwickeln, ebensosehr wie musikalisch.“ Der Gitarrist der „größten Metal-Band der Welt“ (Eigendefinition) erfreut sich seit einiger Zeit an einem Ziegenbart und einem neckischen Piercing-Dorn in der Unterlippe. Kurzhaarig ist er auch, wie mittlerweile alle in der Band oder überhaupt im modernen Metal. Daß Metallica keine Haare mehr zum Schwingen haben, bedeutet natürlich nicht, daß sie jetzt besonders intelligente Musik machen. Nein, ihre Weiterentwicklung von Thrash heißt Rock oder Blues-Rock. Das ist nicht nur die obligatorische Ballade zwischendrin, sondern ein in Sound und Struktur durchgehend normiertes und weltweit verständliches Konzept.

So wird die Vergangenheit als Nieten- und Aufnäherband exorziert und spätestens mit der Männer-Vogue-Modestrecke des Fotografen Anton Corbijn im Booklet offensiv ad acta gelegt. Denn hier gestehen sie auf Hunderten von Fotos, daß ein trockener Rotwein doch Vorteile gegenüber Dosenbier aufweist. Natürlich schoß das Endprodukt sofort überall auf Nummer eins, schließlich hatte man ja auch sechs Jahre gewartet. Doch noch schneller als der Sturm sich aufbaute, war er wieder vorbei.

Schlimmer noch: mit Load, der Platte, die Lars Ulrich als „kugelsicher“ bezeichnet, ist der Thrill vorbei, ist das Phänomen Metallica tot. Dieses Phänomen war die jahrelange Integrationskraft der Kopfgeburt eines kartoffelgesichtigen Dänen. Die gesamten 80er beleidigte die in L.A. gegründete Band den sensiblen Geschmack mit allen Genre-Klischees: lächerliche Airbrush-Cover, enge Jeans und endlose Gitarrensoli.

Doch die Perfektionisten-Spießigkeit ihrer mathematischen Arbeitsweise hatte Erfolg. Ausgefeilte Dramatik des Liedguts und die markante, relativ unpeinliche Stimmlage von James Hetfield köderten die Anspruchsvolleren und ließen eine große Metallica-Familie heranwachsen. Als dann mit dem schwarzen Album noch der Pop-Aspekt hinzukam, gab es für lange Monate kein Halten mehr und schwarze Coolness mit zu Pyramiden hochproduzierten Zirkelriffs waren das Ticket zum Glück.

Metallica haben so endgültig ihr Namensversprechen, als Synonym zwischen Rock und Metal, eingelöst. Denn Metallica, das ist nicht nur eine allgemeinverständliche Gebrauchsanweisung, das ist vor allem wie „alles klar“ oder „basta“. Über diesem Anspruch ist das Quartett nunmehr eingeschlafen und versteift sich auf marktorientierte Bedürfnisbefriedigung.

Holger in't Veld Fr. 18. (ausverkauft) + Sa, 19. Oktober, 19 Uhr, Sporthalle

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