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Geschichte wird gemacht (II)

Nach dem 3:0 über AS Rom wähnt KSC-Trainer Winfried Schäfer den guten, alten Valencia-Mythos von der Gegenwart überwunden  ■ Aus Karlsruhe Frank Ketterer

In der Stunde des Triumphs purzelten die Superlative. Frisch geduscht und wohlgelaunt stand Thomas Häßler in den Katakomben des eben noch bebenden Wildparkstadions und wurde nicht müde, eine Lobeshymne nach der anderen auf seine Mitspieler anzustimmen: die zwei Tore von Thorsten Fink – „sensationell“; der Auftritt von Michael Tarnat – „Wahnsinn, im Moment bester Linksaußen der Bundesliga“; der junge Sean Dundee – „kann man ruhig mit Marco van Basten vergleichen“. Es ist die „unnachahmliche Ballannahme“ des Südafrikaners, die es ihm neben dessen beträchtlichem Tore-Output besonders angetan hat.

Ja, es waren große Worte, die der große Mann da sprach. Es war aber auch ein großes Spiel, das er und sein Karlsruher SC zuvor geboten hatten. 3:0 gewonnen gegen AS Rom in der zweiten Runde des UEFA-Cups, da fällt das Prädikat „Weltklasse“ im Laufe des Abends zwangsläufig.

Und auch jener Vergleich, der an die unvergessenen UEFA-Cup- Abenteuer der Karlsruher vor drei Jahren erinnert und den Winfried Schäfer in sein Standardrepertoire aufgenommen hat, speziell für solche Fälle. Wie schon gegen Bukarest in Runde eins war es auch diesmal vor allem die zweite Halbzeit, die der Trainer verglichen haben wollte „mit den großen Spielen, die wir hier schon hatten“.

Da schwebte er also wieder über allem, der Valencia-Mythos, die Sternstunde aller Sternstunden badischer Fußballherrlichkeit, als die Videotafel im Stadion noch vier Treffer mehr anzeigen durfte als gegen Rom.

Von wegen! Die „Vergangenheit“, referierte Schäfer am Dienstag abend, „ist vorbei. Die zählt nicht mehr.“ Valencia ist Geschichte, eine wunderschöne, aber vergangen. Ein ruhmreicher Eintrag in die Vereinshistorie, ebenso nichtig geworden wie die Schmach Berlin, dieses verdammte Pokalendspiel gegen Kaiserslautern. „Was wir da haben einstecken müssen“, entfährt es Schäfer immer noch mit Entsetzen.

Vorbei, Geschichte! „Wir haben einen Neuanfang machen müssen“, sagt der Trainer. Die, die nicht mehr in sein Konzept paßten, hat er aussortiert: Bilic, Knup, kürzlich erst Bender. Neue Gesichter kamen: Marc Keller aus dem benachbarten Elsaß, Thomas Hengen aus Kaiserslautern, letzte Saison schon Sean Dundee. Der derzeitige Torschützenkönig der Bundesliga setzte sich auch gegen Roms brasilianischen Manndecker Aldair durch – und war zum 2:0 erfolgreich. Mit den Neuen schaffte man es erst über einen Kräfte kostenden UI-Cup zurück nach Europa. Seither wähnt der Trainer den KSC wieder auf dem Vormarsch. „Es ist wieder Leidenschaft in der Mannschaft, wir spielen wieder ehrlichen Fußball“, sagt Schäfer. Wenn der Trainer diese Leidenschaft, von der er gerne spricht, auf seine Spieler übertragen hat, kommt der Rest in Karlsruhe von alleine. So wie diesmal.

Dann bebt die alte Gegentribüne, und der Gegner erzittert, wenn das Stadionoval zum Badner-Lied anhebt. So wie damals gegen ... Aber lassen wir das, Geschichte!

Die Zukunft heißt zunächst einmal, ohne die Bundesligaaufgaben zu vergessen, Rom. Das Rückspiel in 14 Tagen muß erst noch gespielt werden. „Da werden vom Anpfiff weg 70.000 gegen uns sein“, warnt Schäfer die Seinen daher schon mal vor. Die Römer, ahnt er, „werden da anfangen, wo sie hier aufgehört haben – mit Foulspiel“.

Und die Spieler scheinen begriffen zu haben. „Wenn die zu Hause ins Rollen kommen, dann sind auch die zu vielem im Stande“, schwant Gunther Metz. Und Thomas Häßler, der die Stimmung im Olympiastadion zu Rom aus seinen drei Jahren bei AS genauestens kennt, prophezeit seinen Mitspielern schon einmal einen „heißen Tanz“. Diesen zu gewinnen möchte er die Chancen bei 60:40 für seinen KSC taxieren; doch keinen Deut mehr.

Immerhin wird Libero Hengen wegen gelber Karte nicht auflaufen dürfen im Rückspiel, ebenso wie Zweifach-Torschütze Fink, der genau an diesem 29. Oktober Geburtstag hat. Was er sich wünscht, ist klar. Und Torsteher Claus Reitmaier hat's ihm auch schon vorneweg versprochen: „4:0 verlieren wir da nicht. Nie.“

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