: Gemeinsam gegen Faschisten?
Hamburger Verfassungsschutz versuchte mehrfach, Antifa-Mitglieder als Spitzel anzuwerben ■ Von Marco Carini
Mitarbeiter dringend gesucht. Nach Informationen der taz ist das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz auf der Suche nach Informanten in der linken Szene in den vergangenen Wochen mehrfach aktiv geworden. Mindestens zwei gescheiterte Anwerbungsversuche gab es – der letzte am vorigen Montag. Während über die jüngste versuchte Spitzelanwerbung noch keine Detailinformationen vorliegen, macht ein junger Mann aus der Hamburger Antifa-Szene seine Erfahrungen mit einem Verfassungsschützer jetzt öffentlich.
Hamburg-Lokstedt, 23. September 1996. Wie an jedem Werktag verläßt der 26jährige Stefan P. (Name geändert, d. Red.) gegen 18 Uhr die Zweiradwerkstatt, in der er als Mechaniker arbeitet. Doch diesmal wird er auf Schritt und Tritt beobachtet. Seit Stunden kauert ein Verfassungsschutzmitarbeiter, der zwei auf den Namen „Jürgen Gersson“ ausgestellte Behörden-Ausweise mit sich führt, hinter dem Steuer eines roten Audi.
Als Stefan P. seine Arbeitsstätte verläßt, heftet sich der Mann an seine Fersen. Auf offener Straße spricht er ihn schließlich an und lädt den Verdutzten auf einen Kaffee in eine nahegelegene Kneipe ein. Stefan P. willigt ein. „Ich habe verstanden, daß er von der Zweirad-Innung kommt und habe gedacht, er will mit mir über mein Arbeitsverhältnis und Steuergeschichten reden“, erinnert sich der 26jährige. Doch Stefan P. hatte sich verhört. Nicht die Innung, sondern die Innenbehörde hatte der etwa 40jährige als seinen Arbeitgeber genannt.
In der Kneipe versucht „Gersson“, der unter diesem Namen weder im Verfassungsschutzamt offiziell bekannt noch im Hamburger Telefonbuch zu finden ist, das Opfer seiner beruflichen Begierden in ein zwangloses Gespräch zu verwickeln. Er stellt scheinbar belanglose Fragen über die Arbeit von Stefan P. und plaudert über seine Vorliebe für Motorräder. „Ich wußte nicht, was das alles soll“, erinnert sich Stefan P.
Erst nach endlosem Vorgeplänkel kommt „Gersson“ auf den Punkt. Er spricht über die bundesweite Razzia gegen mutmaßliche LeserInnen der verbotenen Zeitschrift „radikal“ am 17. Juli dieses Jahres, in deren Rahmen auch die Altonaer Wohnung von Stefan P. durchsucht und zahlreiche private Unterlagen beschlagnahmt worden waren. „Ich habe ihre Polizeiakte genau studiert“, verkündet der Anwerber. Später wird er erwähnen, daß es „natürlich keine Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei“ gibt.
Nachdem „Gersson“ seinen Innenbehörden-Dienstausweis vorgezeigt hat, wird er schließlich konkret. Stefan P. sei doch, das wisse er genau, in der Antifa-Szene aktiv. Und da „meine Abteilung“, so der Verfassungsschützer, gegen die „starke faschistische Gegenseite“ sehr aktiv sei, könne man doch eigentlich zusammenarbeiten.
Namen von Mitgliedern Hamburger Antifa-Organisationen will „Gersson“ angeblich nicht wissen: „Die kennen wir sowieso schon alle“. Sein konkretes Angebot: Stefan P. solle ihn über Diskussionsprozesse und geplante Aktionen der Antifas informieren. Er würde dann der Polizei diese Einschätzungen zukommen lassen, damit diese dann „zuhause bleiben“ könnte.
Stefan P., dem „zu diesem Zeitpunkt schon klar war, daß ich den Anwerbungsversuch öffentlich mache“, lehnt dankend ab und verläßt die Kneipe. „Ich bin überrumpelt worden und würde mich nie wieder auf so ein Gespräch einlassen“, sagt der 26jährige heute. Braucht er auch nicht.
Denn zumindest die Abschiedsworte des Verfassungsschützers verkündeten dem Zweiradmechaniker eine frohe Botschaft: „Sie werden nie wieder etwas von mir hören“.
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