: Das Gold der Tiefsee
■ Bestände in der Nordsee sind überfischt. Kommen jetzt Rundnasen-Grenadier oder Granatbarsch auf den Tisch?
Shetland (taz) – Während die schwindenden Fischbestände und Auseinandersetzungen um Fanggründe die Schlagzeilen beherrschen, entwickelt sich von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt eine Fischerei, die nicht mehr Kabeljau und Seezunge nachstellt, sondern ihre Netze tiefer auswirft, um den Blauen Wittling, den Rundnasen-Grenadier, den Granatbarsch oder die Gemeine Chimäre aus dem Meer zu ziehen.
Umweltschützer wie Wissenschaftler warnen vor den zweifelhaften Erfolgen dieser Fischerei. John Gordon vom Dunstaffnage- Meereslaboratorium an der schottischen Westküste etwa sagte der taz, den guten Fängen in der Anfangsphase der Tiefseefischerei werde bald die Ernüchterung folgen. Es könnten nicht genügend Jungfische nachwachsen.
Die neuen Fische haben nämlich eines gemein: Sie leben in Wassertiefen zwischen 400 und 1.000 Metern, haben nur wenige Nachkommen und können bis zu 80 Jahre alt werden. Ihr Lebensraum ist konstant dunkel, und die Wassertemperaturen liegen nahe null Grad.
In einem persönlich gehaltenen Brief an John Major bat daher der Geschäftsführer von Greenpeace Großbritannien, Lord Melchett, den britischen Premierminister, die Förderung der Tiefseefischerei einzustellen, um ein biologisches Desaster“ zu verhindern.
Das „Desaster“ ist schon in vollem Gange. Bereits seit den sechziger Jahren haben Boote der früheren Sowjetunion dem Rundnasen-Grenadier nachgestellt, eine Fischerei, die heute von französischen Trawlern beherrscht wird. Hier liegen auch die Märkte für die Exoten aus der Tiefe. Der Rundnasen-Grenadier und der Schwarze Degenfisch, der nach Auskunft von Gordon ein sehr akzeptables Filet hergibt, sind in Frankreich, Spanien und Portugal beliebt, während der Granatbarsch in den USA als geradezu populär gilt. Gegenwärtig werden jährlich acht- bis zehntausend Tonnen des Rundnasen-Grenadiers gefangen.
Eine vergleichsweise geringe Menge, stellt man sie ins Verhältnis zur diesjährigen Heringsquote von über 300.000 Tonnen für die Nordsee allein. Allerdings wurde die Heringsquote im Sommer in einer dramatischen Aktion der Europäischen Kommission um die Hälfte auf 156.000 Tonnen gekürzt, um den Zusammenbruch der Heringsbestände zu verhindern.
Rettung für die Tiefseefische verheißen vielleicht noch die Kosten. Nach Auskunft von Morgan Goodlad, Rektor des North Atlantic Fisheries Collage, sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten in der Tiefseefischerei von vornherein begrenzt. Weil Boote wie Ausrüstung größer und stärker als herkömmliche Trawler zu sein hätten, müßten die Tiefseefischer für einen geschäftlichen Erfolg beständig Höchstpreise erzielen. Und das sei reichlich unwahrscheinlich.
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