: Geräuschiges Chaos
■ Elliot Sharp's Carbon heute im KITO
Gitarrist Elliot Sharp zählt zweifelsohne zu den schillerndsten Figuren der New Yorker Avantgarde-Szene. Kaum eine stilistische Spielart, in der er nicht aktiv ist. Die Bandbreite seiner musikalischen Aktivitäten reicht von avantgardistischer Kammermusik mit seinem Soldier String Quartet über Blues, experimentellen Jazz, Techno, Ambient bis zu Hardcore. Meist versetzt das Multitalent – außer Gitarre spielt er noch Saxophon und Baßklarinette – seine Expeditionen in diverse Klanggefilde mit einem gehörigen Schuß Noise; schrille und schräge Sounds sind sein Markenzeichen.
Dies gilt besonders für die Hardcore/Metal-Formation Carbon. Zum krachenden Groove der Rhythmusgruppe läßt er seine Doubleneck-Gitarre nicht nur stiltypisch wimmern und heulen, sondern erweitert den Sound mit diversem Zirpen, Fiepen, Zischen, Sirren, Rauschen und Blubbern, zum Teil durch Manipulation der Gitarre, zum Teil durch Samples und Computer. Oder er bläst wilde Free-Attacken auf seinem Saxophon.
Auch Carbon-Mitglied Zeena Parkins entlockt ihrer elektrischen Harfe Klänge, die gewöhnlich nicht mit einer Harfe in Verbindung gebracht werden. Sie schlägt wuchtige metallische Akkordfolgen. So entsteht eine faszinierende, noisige Hardcore-Variante.
Dabei verzichten Sharp & Co keineswegs auf harmonische Strukturen. Aus Phasen geräuschigen Chaos' entwickeln sich melodische Fragmente, formieren sich zu einem Mosaik urbaner Klänge, eine Art Widerspiegelung der nervösen, vibrierenden und brodelnden Stimmung des Big Apple. Das hört sich ein wenig an, als wenn Kaspar Brötzmann, die Neubauten und John Zorn aufeinandertreffen.
Bei aller Experimentierfreude und dem Faible für Lärmiges lautet Sharps Devise aber: „Musik kann noch so anspruchsvoll sein, sie muß immer unterhaltsam bleiben.“ Mit Carbon wird er diesem Anspruch auf jeden Fall gerecht.
Arnaud
Heute um 20 Uhr im KITO, Vegesack
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