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Obdachlosenzeitungen

■ betr.: „Schreiben und Wohnen“, taz vom 21. 9. 96

Frank Fölsch berichtet, daß wir in unserer Zeitung Strassenfeger – kein Sozialprojekt betreiben können, da es bei uns „Leute gab, die offensichtlich in die eigene Tasche wirtschafteten“. Um wen es sich dabei jedoch konkret handelt, bleibt der Autor schuldig. Als angeblich Betroffene würden wir nun sehr gern an seinem Wissen teilhaben. Die Buchführung bei Strassenfeger ist seit der Verkäuferversammlung vom 13. September für jede Person einsehbar. In der Ausgabe, die am 6. Oktober erschien, wird sie sogar veröffentlicht. Es wäre also sehr freundlich, wenn Herr Fölsch sich bis dahin mal bei uns meldet, nur wegen der Vollständigkeit in Fragen der Einnahmen und ihrer Verwendung. Bei der Gelegenheit könnte er auch gleich einen Blick in unsere Notübernachtung werfen, die lt. Beschluß vom 13. 9. im Oktober eröffnet wird. Übrigens haben wir auch Telefon (2901959).

Und was die in dem Beitrag durchgängig betonte bundesweite Einmaligkeit der motz und ihrer „Hilfsprojekte“ betrifft, so zweifelt Strassenfeger diese Charakterisierung in keiner Weise an. Mit Spannung harren wir bei unseren Freunden, nach den „Tagen der offenen Tür, nun den Tagen der offenen Buchführung! Ganz besonders interessieren sich bei uns die drei ehemaligen motz-Vorstandsmitglieder. Diese und viele andere haben das Blatt natürlich nur aus persönlichen Differenzen und in völliger Unkenntnis der „Einmaligkeit“ verlassen. Und weil sie Geld brauchten, gingen sie halt zu Strassenfeger.

[...] Daß beim großen Marktführer in Berlin nun offenbar nicht alles ganz so ist, wie es die Selbstdarstellung der Verantwortlichen glauben lassen will, davon schreibt selbst Fölsch. Teilt er doch zum einen mit, daß das motz-Sozialprojekt als einziges „ohne staatliche Regelförderung auskomme“, und ein paar Absätze weiter, daß, wer dort wohnt, „beim Sozialamt die Übernahme der Miete beantragen“ kann. [...

Abgesehen davon hat die motz auch keine Verteilerstelle am Zoo (dort ist lediglich Strassenfeger vertreten), und ihre 80 Stammverkäufer sind auch nicht, wie geschrieben, alle „gleichzeitig Vereinsmitglieder“. In der Obdachlosenszene käme den Kollegen damit wahrscheinlich der Status einer Massenbewegung zu – und das wäre nun wirklich bundesweit einmalig! Die Mitgliederzahl des Vereins beträgt maximal 40, und das mit allen nichtobdachlosen Honorarkräften. Auch ist in der Unterkunft nicht, wie irrtümlich behauptet, ein „Redaktionsbüro für die Herausgabe der Zeitschrift“. Dieses befindet sich bei der motz derzeit immer noch in Friedrichshain, in der Boxhagener Straße 17. Also fast einen Steinwurf von unserem entfernt. (Sollte 'n Scherz sein, wird sowieso nicht gedruckt.)

Ansonsten vertreten die Berliner Obdachlosenzeitungen völlig verschiedene inhaltliche Positionen. Diese zu ergründen setzt jedoch eine gewisse Bereitschaft zur Rezeption voraus. Aber vielleicht ruft Ihr uns ja zur Abwechslung mal an, und wir lesen Euch vor. Karsten Krampitz

für „Strassenfeger“

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