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30 Dosen Katzenfutter Von Karl Wegmann

Pflanzen gießen, Katze füttern – der älteste Freundschaftsdienst der Welt. Nicht besonders schwierig, nur manchmal ein bißchen anstrengend. Willy weiß das. Also versuchte er für Freund Hermann die Sache etwas attraktiver zu gestalten. „Hier ist das Katzenfutter“, teilte er ihm einen Tag vor dem Urlaub mit, „und hier hab' ich dir einen Kasten Krombacher hingestellt.“ Hermann war gerührt. Willy erklärte ihm noch, welche Pflanze wieviel Wasser und wieviel Futter der Kater täglich bekommt, aber das hörte Hermann schon längst nicht mehr. Er sah das Bier, den riesigen Fernseher mit Kabelanschluß, den Videorecorder und dachte nur: Alles meins! Daß zu dieser Zeit die Fußball-Europameisterschaft ausgetragen wurde und daß Hermann selbst Urlaub hatte, machte ihm die Nächstenliebe zum puren Vergnügen.

Am ersten Tag war Hermann morgens um zehn zur Stelle. Er gab allen Pflanzen reichlich Wasser und wandte sich dann dem jämmerlich miauenden James zu. In der Küche standen drei Näpfe, ein Sack Trockenfutter und eine Palette mit 30 Dosen Katzenfutter. „Aha“, dachte Hermann, der von Haustieren und deren Freßgewohnheiten nicht die geringste Ahnung hatte, „kein Problem“. Den einen Napf füllte er mit Wasser, den anderen randvoll mit dem komischen Zeug aus dem Sack und in den dritten schaufelte er den Inhalt einer Dose. James war begeistert. Hermann köpfte ein Bier und sah sich die Wiederholungen der Spiele vom Vortag an. Mittags meldete sich James wieder. Hermann gab ihm noch 'ne Dose, kam dabei aber ins Grübeln. „Irgend etwas stimmt nicht“, dachte er, „Willy hat hier 30 Dosen Katzenfutter, aber wie es jetzt aussieht, frißt das Tier drei Dosen am Tag – logisch, Frühstück, Mittag- und Abendessen, das Flockenzeug ist wohl die Beilage – wenn Willy aber 14 Tage in Urlaub ist, geht die Rechnung nicht auf.“ Für Hermann, der ein abgeschlossenes Studium der Betriebswirtschaft vorweisen kann, war es nur logisch, daß er das Problem mathematisch anging. „Was soll's“, dachte er, „werd' ich eben Futter nachkaufen, mit dem Bier hat Willy sich ja auch verrechnet.“

Der Kater ging auf wie ein Hefeteilchen. Hermann fiel das nicht auf. Nach einer Woche ertranken allerdings die ersten Pflanzen. Das bekam er mit, interpretierte es aber völlig falsch. „Mist“, dachte er, „zuwenig Wasser.“ Hermann ist ein lieber Mensch, er weiß, wie sehr Willy an seinem Grünzeug hängt. So nahm er sich also einen Nachmittag Glotzefrei, fuhr zu einer Gärtnerei und kaufte ein paar Pflanzen, die so ähnlich aussahen wie die ersoffenen. Was er nicht wußte, war, daß Willy seine seltenen Gewächse fast alle eigenhändig in Griechenland gesammelt und eingeschmuggelt hatte.

Das Ende des kleinen Freundschaftsdienstes nahte. Der Kater war inzwischen zu einem fetten, faulen Etwas mutiert. Hermann fand es angenehm, daß James sich so ruhig verhielt. Am letzten Abend machte er alles schön sauber, goß die neuen Pflanzen noch mal kräftig, füllte ein letztes Mal die Freßnäpfe und hinterließ Willy eine Nachricht: „Hat alles prima geklappt! Die nächste Woche erreichst Du mich in Meckis Wohnung. Sie ist in Urlaub und hat mich gebeten auf ihre Kakteensammlung und ihren Papagei aufzupassen. P.S.: Ich krieg' noch 29,80 Mark von Dir, für Katzenfutter!“

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