piwik no script img

Schneuzende Passanten

■ „Musicircus“: Ein John-Cage-Konzert auf Kampnagel

Wenn der amerikanische Komponist John Cage am offenen Fenster seines Arbeitszimmers sitzt, lauscht er selig. Hupende Autos, schnappende Türen, hastige Schritte, ein Passant schneuzt sich. „Wenn wir Lärm versuchen zu ignorieren, stört er uns“, hat er in seinem Credo formuliert, „wenn wir auf ihn achten, wird er faszinierend.“ Nichts bleibt unbeobachtet, nichts un-erhört. Das Zischen des Bratfetts, das Staccato des Alltäglichen, das Summen der Stille. Cage sammelt Geräusche mit dem sicheren Instinkt des Trödlers für weggeworfene Schätze und konfrontiert den Krach mit elegischen Violinphantasien und romantischem Pianospiel. Eigensinnige Kompositionsprinzipien eines Mannes, dem die moderne Musik die Symbiose von Harmonie und Chaos verdankt. Die Symphonien scheinbarer Zufälligkeiten sind etwas für neugierige Ohrreisende. Und Heiner Müller erinnerte sich in einem Interview an ein Cage-Konzert in Rom, das vor 5000 Menschen begann und vor 400 Begeisterten endete: „Cage war damals völlig deprimiert – weil so viele geblieben sind.“

Doch wer wissen möchte, wie eine lächelnde Trommel oder schreiendes Gemüse im Kochtopf klingt, der sollte „Musicircus“, das John-Cage-Konzert auf Kampnagel, auf keinen Fall verpassen. Der Niederländer Peter Zegveld hat Cages Stücke in szenische Bilder umgesetzt. Unter der musikalischen Leitung von Dirk Proost spielt Champ d'Action, eines der bekanntesten belgischen Ensembles für zeitgenössische Musik. big

Die Nachmittagsvorstellungen sind für Kinder, die am Abend sind 30 Minuten länger und richten sich eher an Erwachsene. Sa, 26 Oktober, 16 und 20 Uhr, So, 27 Oktober, 11.30 und 16 Uhr, Kampnagel, K6

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen