: Stimmzettel zu Hause, Urnen im Müll
■ Mehrere Wahlhelfer des nicaraguanischen Rechtskandidaten Arnoldo Aleman wurden wegen massiver Unregelmäßigkeiten festgenommen. Sein Vorsprung vor Daniel Ortega scheint dennoch solide
Berlin (taz) – Noch immer ist Arnoldo Alemán, der antisandinistische Kandidat des rechten Wahlbündnisses „Liberale Allianz“, nicht offiziell zum Sieger der Präsidentschaftswahlen in Nicaragua vom vergangenen Sonntag ernannt worden. Zwar bleiben die internationalen Beobachterdelegationen bei ihrer Auffassung, die Wahlen seien sauber und fair verlaufen, aber die Meldungen über Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung häufen sich. In 590 von insgesamt rund 8.000 Wahllokalen habe es Unstimmigkeiten gegeben, bestätigte die Oberste Wahlbehörde am Mittwoch abend.
Im Haus des Wahlleiters der Nordregion Matagalpa, Alberto Blandon, entdeckte die Polizei rund 30.000 Stimmzettel – Blandon gehört der „Liberalen Allianz“ Alemáns an. Einige Wahlhelfer der „Liberalen Allianz“ wurden festgenommen.
Auf der größten Müllkippe der Hauptstadt Managua tauchten mit Stimmzetteln gefüllte Wahlurnen auf. Ihre Herkunft ist ungeklärt. Im Land wurde ein Demonstrationsverbot verhängt, und das Verbot, Waffen zu tragen, wurde bis zur Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses verlängert.
Der nach den bisherigen Ergebnissen klar unterlegene Kandidat Daniel Ortega von der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) hatte schon am Montag auf Abweichungen der offiziellen Ergebnisse mit den Parallelzählungen der FSLN hingewiesen. Am Mittwoch veröffentlichte die sandinistische Parteizeitung Barricada Beispiele, wo die Auszählungsergebnisse in den Wahllokalen nicht mit den an den Obersten Wahlrat übermittelten Daten übereinstimmten.
Nachdem sich am Dienstag weitere zehn Parteien dem Protest angeschlossen hatten, kündigte der Oberste Wahlrat die erneute Auszählung der Stimmen an. Die Parteien wollen die Wahlen offiziell anfechten, wenn die Unregelmäßigkeiten nicht geklärt werden.
Nach einer selbst auferlegten 24stündigen Verlautbarungssperre verkündete der Oberste Wahlrat erst am Mittwoch abend neue Teilergebnisse: Auf der Basis von 87 Prozent ausgezählter Stimmen liegt Alemán bei 49,34 und Ortega bei 38,09 Prozent.
Ungeachtet der Fälschungsvorwürfe forderte die nicaraguanische Bischofskonferenz die unterlegenen Sandinisten auf, den Wahlsieg Alemáns anzuerkennen, und der rechtslastige Unternehmerverband Cosep verlangte, Alemán endlich zum Wahlsieger zu erklären. Präsidentin Violeta Chamorro rief die Nicaraguaner auf, Ruhe zu bewahren und Vertrauen in die Wahlergebnisse zu haben. Zu den Unregelmäßigkeiten äußerte sie sich nicht. Bernd Pickert
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