Rechtzeitig erwacht

■ Durch ein 3:2 in Spiel 6 der World Series gegen Atlanta gewinnen die New York Yankees ihren 23. Baseball-Titel

Berlin (taz) – Das Jahr 1996 hatten sich die Bewohner von Atlanta etwas anders vorgestellt. Zunächst fiel während der Olympischen Spiele die ganze Welt über ihre Stadt her und geißelte sie als häßlich, chaotisch und viel zu heiß, dann konnte, erheblich schlimmer, der örtliche Baseball-Klub seinen Titel nicht verteidigen. Am Ende der World Series mußten die Fans der Atlanta Braves sogar ohnmächtig am Fernsehschirm sehen, wie das Publikum im New Yorker „Yankee-Stadium“ ihr Team mit dem „Tomahawk-Chop“ verhöhnte, der von Native Americans heftig bekämpften Armbewegung, mit der die Zuschauer in Atlanta die Braves anfeuern.

3:2 gewannen die Yankees Spiel 6 des Finales und entschieden nach vier Siegen in Folge die Serie mit 4:2 für sich, nachdem sie zu Beginn zwei verheerende Niederlagen im eigenen Stadion kassiert und wie die sicheren Verlierer ausgesehen hatten. Es war die 23. Meisterschaft für den Klub aus der Bronx, in dem einst Größen wie Babe Ruth, Joe DiMaggio oder Mickey Mantle den Schläger schwangen, aber die erste seit 18 Jahren.

„Manchmal sah es aus, als würden wir ein wenig schlafwandeln“, sagte Yankees-Manager Joe Torre, „aber wenn wir einmal in Schwung geraten, haben wir eine Menge Herz.“ Genaueres wußte Wade Boggs mitzuteilen, der nach dem Triumph auf einem Polizeipferd durch die Arena ritt, obwohl er nach eigenen Angaben eine Heidenangst vor Pferden hat: „Unser Herz ist im Moment so groß wie die Twin Towers.“

56.375 Zuschauerinnen und Zuschauer sahen den ersten Heimsieg dieser Serie, und wie schon beim letzten Match in Atlanta, das die Yankees mit 1:0 gewonnen hatten, gab es auch diesmal keinen Homerun. New York schaffte gegen Atlantas Star-Pitcher Greg Maddux im 3. Inning jedoch vier Hits, genug, um die Partie für sich zu entscheiden. O'Neill, Girardi und Jeter sorgten für die 3:0-Führung, die Braves konnten durch McGriff im nächsten Inning zwar kontern, mußten auf ihren zweiten Run durch Klesko aber bis zum neunten und letzten Inning warten. Danach beendete Ersatz-Pitcher John Wetteland, gerade erst hereingekommen, die Partie. Es war der vierte Sieg in dieser World Series, den Wetteland am Ende sicherstellte, dafür wurde er zum besten Spieler des Finales gewählt.

Bobby Cox, der Manager der Atlanta Braves, war längst nicht mehr im Innenraum, als die Niederlage seines Teams besiegelt wurde. Schon im fünften Inning war er nach einem Disput mit dem Referee vom Platz gestellt worden. „Er hat Profanitäten zu mir gesagt“, erklärte Schiedsrichter Tim Welke, „das ist eine automatische Hinausstellung, egal ob bei der Saisonvorbereitung oder in der World Series.“ Der unrühmliche Abgang des Managers war bezeichnend für das Saisonfinale der Atlanta Braves, die zum fünften Mal in Folge die Endspielserie erreicht hatten, aber nur einmal gewannen. „Team der 90er Jahre“ hatten sie sich in ihre Meisterschaftsringe gravieren lassen und verwanden es nur schlecht, daß sie am Ende so harsch vom Sockel gestoßen wurden, nachdem sie in den Spielen zuvor fast unschlagbar schienen. „Das ist ein bitterer Geschmack, der lange in unserem Mund bleiben wird“, sagte Chipper Jones, und Cox klagte: „Wenn du 2:0 vorne liegst, denkst du schon, daß du zu Hause ein oder zwei Partien gewinnst.“

Der Wendepunkt, da waren sich alle einig, kam im dritten Match, als die Braves im eigenen Stadion bereits mit 6:0 führten. Dann ließ Mark Wohlers einen Homerun zu, der zum 3:6 führte, und die Yankees siegten noch 8:6. „Ich habe breite Schultern, ich kann es tragen“, erklärte Sündenbock Wohlers, während Yankees-Boß George Steinbrenner eine Champagnerdusche nahm und die New York Post direkt nach Spielschluß flugs mit einer Sonderausgabe herauskam. Zur Siegesparade am Dienstag werden in Manhattan zwei Millionen Menschen erwartet. Matti