: Beute unterm Hammer
■ In Wien wird geraubter jüdischer Kunstbesitz versteigert – Erlös für Opfer
Wien (taz) – Österreich ist in vielen Dingen ein bisserl langsam. Und mit der Bewältigung der jüngeren Vergangenheit haben sich die Österreicher, die sich immer als Opfer und nicht als Mittäter des NS-Regimes zu präsentieren wußten, immer schon ihre Schwierigkeiten gehabt. So ist es nur konsequent, daß es fast fünfzig Jahre dauerte, bis die Bundesregierung ihre Bestände an Beutekunst für die Restituierung an die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben freigab. Da diese schwer auszuforschen sind, wurden die aus jüdischem Besitz geraubten Kunstschätze, die seit dem Krieg in der Kartause Mauerbach gelagert wurden, an die Israelitische Kultusgemeinde übergeben. Rund achttausend Objekte, die von den Nazis „arisiert“ wurden, sollen heute und morgen in Wien unter den Hammer kommen.
„Stolen Art from Stolen Lives“ ist das Motto, unter dem das renommierte Londoner Auktionshaus Christie's in aller Welt für diese Versteigerung der „Mauerbach-Sammlung“ wirbt. Mehr als 50 Millionen Mark Reingewinn werden erwartet. Die Ausstellung der Gemälde und Möbel im Museum für Angewandte Kunst zieht nicht nur professionelle Kunsthändler, begüterte Investoren und die Erben der Holocaust-Generation an. Auch zahlreiche Neugierige und Wichtigtuer pilgern in den ehrwürdigen Gründerzeitbau, um sich eine sanfte Gänsehaut zu holen, wenn sie beim Betrachten der Werke an deren makabre Geschichte denken.
Der Großteil sind Landschaftsgemälde aus dem Biedermeier in schnörkeligen Goldrahmen, wie sie die Salons der Wiener Großbürger zierten. Der Petersplatz in Rom von Rudolf von Alt mit einem Rufpreis von rund 70.000 Mark hängt da neben den Werken weniger bekannter Meister, die auch entsprechend preiswerter eingestuft wurden. Ein Marmorkopf aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert, der Alexander den Großen darstellen dürfte, wurde auf über 100.000 Mark geschätzt. Die Qualität reicht von den pastellfarbenen Nackedeis des Hugo Höppner alias Fidus (1868–1948) – kitschige Szenen im Stil der englischen Präraffaeliten – bis zu Zeichnungen des italienischen Barockkünstlers Giovanni Battista Tiepolo (1696–1770), die mit 9.500 bis 19.000 Mark relativ günstig ausgerufen werden.
Außer dem Ölbild „In dem Schtetl“ von Ludwig Kraus gibt es kein bekanntes Werk, das die jüdische Provenienz der Sammlung verrät. Nur bei Porträts, die schlicht als „Bildnis eines Gelehrten“, „Porträt einer jungen Dame im weißen Kleid mit einem Blumenstrauß“ oder „Damenbildnis in Weiß und Rosa“ ausgewiesen sind, kann man mutmaßen, daß die Nachfahren der Abgebildeten in Mauthausen, Auschwitz oder Bergen-Belsen vergast wurden.
Daß von den rechtmäßigen Eigentümern kaum noch einer am Leben ist, kann man auch daran ersehen, daß seit der Veröffentlichung des Katalogs vor einem Monat nur sieben Rückgabeanträge gestellt wurden, von denen drei positiv erledigt worden sind.
Der Reingewinn der Auktion soll Holocaust-Opfern und deren Nachfahren zugute kommen. Zwölf Prozent wurden österreichischen Widerstandsorganisationen versprochen, die Aufteilung des Rests wird von einem internationalen Ehrenkomitee überwacht. Paul Grosz, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, sieht die Auktion als „Meilenstein im Zuge der unzähligen Restitutionsverfahren“. Sichtlich befriedigt über die Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels in der österreichischen Geschichte stellte er anläßlich der Präsentation in der vergangenen Woche klar, „daß das neue Österreich nicht verantwortlich gemacht werden wird für etwas, das vor langer Zeit passiert ist“.
Nicht zuletzt sei die moralische Komponente der Versteigerung entscheidend: „Wenn das Unrecht ins Bewußtsein gebracht wurde und man sich kathartisch von der Vergangenheit befreien kann, ist die Auktion schon ein Erfolg.“ Ralf Leonhard
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