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Abheben

■ „Die Reise nach Brasilien“, ein Theater für Kinder von Danijl Charms

Womit soll man eine Geschichte erzählen, wenn man, unverhofft herausgespuckt von einer Drehtür in der Bühnenwand, auf der schwarzen Guckkastenbühne steht und nicht mehr zu erzählen weiß als „Irgendwann vor langer Zeit, da war einmal ein Mmmh“. Einsam „und so ganz mit nichts“ beginnt der Erzähler (Taki Papaconstaninou), sich seine Bühnewelt herbeizureden. Immerhin gesellen sich nützliche Sortiersysteme wie „links“ und „rechts“, erst in Form eines ausgebeulten Schuhpaares, dann als grundverschiedene Charaktere wie der bauernschlaue Kolja und der hasenfeige Petja, hinzu.

Kolja möchte weg aus Leningrad, wo man immer Gefahr laufe, an einer Bushaltestelle von einem Bären angefallen zu werden. Er will nach Brasilien fliegen, Petja begleitet ihn, auch wenn er gegen den Erfolg des Unternehmens deutlich bremsende Zweifel hegt. Bald findet sich ein Pilot, der die beiden zum fernen Kontinent fliegt. Doch die brasilianischen Palmen sehen den russischen Tannen zum verwechseln ähnlich, und die Kolibris erinnern verdächtig an wohlbekannte Spatzen.

Regisseur Taki Papaconstantinou vom Schweizer Theater Katerland hat Danijl Charms Kinderstück, ein Produkt des von Stalin verfolgten Autors aus den Zeiten seiner inneren Emigration, als imaginäre Reise inszeniert. Nichts leichter als Abheben, wenn man sich dicht hintereinanderstellt, mit den Füßen motorengleich knattert, und sich im richtigen Moment ein Bein hebt. Die ständigen Dispute des rechten und linken Stiefels, die tölpeligen Zwistigkeiten zwischen Kolja und Petja, bei denen Nase-stupsen noch das überzeugendste Argument ist, die Heimtücke des Objekts, ob Drehtür oder Hosenträger, all dies bündelt Papaconstantinou zu einer geschmeidigen Choreographie aus Slapstick und Pantomime. Birgit Glombitza Noch Sa, 11 Uhr, So, 15 Uhr, Kampnagel, k2

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