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„Wir sind doch keine Pommesbuden“

Hamburgs Krankenhäuser fürchten Budgetsenkungen und um ihre Existenz  ■ Von Lisa Schönemann

Wer sich im kommenden Jahr auf den Weg ins Krankenhaus macht, wird unter Umständen vor verschlossenen Türen stehen. Der stellvertretende Vorsitzende des Landesbetriebes Krankenhäuser Hamburg (LBK), Heinz Lohmann, schloß gestern die Schließung einzelner Klinikabteilungen oder ganzer Krankenhäuser nicht aus.

Es gebe „keine Tabus mehr“, sagte Lohmann und verwies auf Pläne wie die Schließung des Hafenkrankenhauses oder die Zusammenlegung von AK Ochsenzoll und AK Heidberg zum Krankenhaus Nord. „Sollten die Krankenkassen auf einer sofortigen Absenkung des Budgets um real zehn Prozent bestehen, käme das einem Sturzflug gleich.“

Preissteigerung und Sachmittel eingerechnet, müßte der LBK, in dem alle städtischen Krankenhäuser außer der Uniklinik zusammengeschlossen sind, seine Kosten zum 1. Januar 1997 um etwa 170 Millionen Mark reduzieren und innerhalb eines Jahres 1800 Arbeitsplätze streichen. Ursprünglich waren nach internen Einsparungsplänen „nur“ 400 Arbeitsplätze in Gefahr. Bereits im September hatte der LBK-Vorstand einen Einstellungsstop beschlossen und eine Börse für einen internen Stellenmarkt eingerichtet.

Lohmann will weiter mit den Kassen verhandeln. „Krankenhäuser sind keine Pommesbuden, die man je nach Konjunkturlage öffnet oder schließt.“ Wünschenswert wäre, ein Budget für mindestens fünf Jahre auszuhandeln. Dazu sehen sich jedoch die Kassen nicht in der Lage, weil sie aufgrund der Bonner Gesetzgebung mit sinkenden Einnahmen rechnen. Wer sich vor diesem Hintergrund nicht in einer Klinik behandeln, sondern zu Hause pflegen läßt, riskiert unter Umständen die nächste Pleite: Der Verband der Angestellten-Krankenkassen (VDAK) vermutet, daß etwa 20 Prozent der Pflegedienste falsche Rechnungen ausstellen. „Eine Qualitätssicherung ist dringend geboten“, räumt der Leiter der Hamburger VDAK-Vertretung ein. Er hat jedoch keine Idee für eine wirksame Kontrolle.

Wenn von den Pflegediensten Leistungen nicht erbracht, aber abgerechnet würden, könne dies der zuständige Sachbearbeiter wegen der hohen Verwaltungskosten nicht kontrollieren. Auch die zumeist älteren Patienten können den Pflegern nicht auf die Finger klopfen. Lohmann verweist auf den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen als letzte Instanz, die die Arbeit am Krankenbett überprüfen könnte. Der jedoch ist schon mit der Eingruppierung der Patienten in die Stufen der Pflegeversicherung überfordert.

So werden die Pflegedienste weiterhin im dunkeln wurschteln. Zuletzt war der Schwindel eines bundesweit tätigen Dienstes mit Zentrale in Hamburg aufgeflogen, der sich Leistungen für verstorbene Menschen bezahlen lassen hatte und die Kassen um Millionen geprellt haben soll. In Hamburg sind von dieser Organisation 13 ältere Menschen betreut worden.

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