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Versuch über Kunst und Kritik Von Martin Sonneborn

Van Gogh hat in seinem Leben nur ein einziges Bild verkauft, Gustav Mahler überhaupt keines. Wie man schon daran leicht erkennen kann, wird oftmals gerade bedeutenden Männern von ihren Zeitgenossen die gebührende Achtung versagt. Zum Glück gibt es aber auch andere Fälle.

Einmal, in den achtziger Jahren unseres aufgeklärten Jahrhunderts etwa, traf der toptalentierte Vollblut-Fußballspieler und damalige Bundesligaprofi Frank Pagelsdorf in einer Bielefelder Schankgaststätte auf einige Kollegen: Freizeit- Fußballer der 2. Mannschaft des 1. FC Teutonia Altstadt.

Nun muß man aber wissen, daß es sich bei jenen – gerade der 2. Mannschaft! – um die mit Abstand schlechteste Amateurmannschaft der zivilisierten Welt handelt! Seit Jahren beherrschen sie unangefochten den letzten Platz der untersten aller nur denkbaren Fußball- Ligen, beziehungsweise steigen eben lediglich deshalb nicht weiter ab, weil direkt unter ihnen das absolute Nichts beginnt.

Punktspiele verliert Teutonia Altstadt routiniert und überwiegend zu null; gegen engagierte türkische Gegner lag man schon mal zur Halbzeit mit einer zweistelligen Anzahl von Toren hinten. Dennoch gibt der Trainer in jeder Pause psychologisch sein Bestes: Null zu vier, aber diesmal ist es gar nicht so schlecht, und jetzt fühlen sie sich sicher...“

Sein kleingeratener Torwart gilt in Fachkreisen als einsatzfreudig (unter anderem weil er einmal mit dem Mofa über 40 Kilometer zum Spiel anreiste), hat es sich allerdings zur Regel gemacht, alles wegzufausten, was höher als einsfünfzig auf ihn zukommt. Hin zu den Herren Ronsiek oder Otte zum Beispiel, die für gewöhnlich den Libero/Außenverteidiger modern zwar, doch auch schwer verkatert interpretieren. Zu Herrn Rollny, der zwar bisweilen einen Gegner umspielt, dann aber regelmäßig stehenbleibt, um über diesen gelungenen Streich zu lachen. Oder zu einem der anderen fünf Athleten; ja acht bis neun Mannschaftskameraden, mehr sind es doch oftmals gar nicht, da kann man schon froh sein, wenn noch zufällig einer vom Einkauf vorbeikommt, der sofort (in Hausschuhen!) aufs Feld befohlen wird.

Kein Wunder, daß auch ein paar Kern-Turnschuhe – zwei Streifen, Größe 43 – zu den Hauptpreisen der Tombola bei Vereinsfeiern gehört! Mit Vertretern dieser sympathischen Trümmermannschaft jedenfalls kam der Ballzauberer Pagelsdorf an einer Bielefelder Theke ins Plaudern und Trinken. Am nächsten Tag nahm er dann aufgrund einer bierseligen Wette – inkognito! – am Training teil. Und ging seinem Handwerk dabei derart gewandt nach, daß der Co-Trainer seinen Vorgesetzten aufgeregt anstieß und ihm bedeutete: „Trainer! Der könnte glatt was für unsere erste Mannschaft sein!“

Auch wenn es anschließend zu keiner vertraglichen Bindung zwischen Pagelsdorf und Teutonia Altstadt kam, kann man diese Geschehnisse doch als schönen Beleg nehmen für die wohlwollende Annahme eines Künstlers durch die zeitgenössische Kritik.

Und überhaupt: Van Goghs Bilder sind heute Millionen wert; Frank Pagelsdorf aber wurde schon zu Lebzeiten zum Trainer des Bundesligisten Hansa Rostock berufen und hat erst am letzten Wochenende wieder drei blitzsaubere Punkte eingefahren!

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