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Kurzer Prozeß in Peking

■ Dissident Wang Dan wird in einem Schnellverfahren zu elf Jahren Haft verurteilt. Auslandsspenden gelten als "Beweis"

Peking (AFP/AP/dpa) – Nicht mal vier Stunden brauchten gestern die Richter des Mittleren Volksgerichts in Peking. Dann war für sie klar: Wang Dan ist schuldig. Wegen „Verschwörung zum Sturz der chinesischen Regierung“ soll der 27jährige Dissident die nächsten elf Jahr hinter Gittern verbringen. Danach wird er für zwei Jahre auf politische Rechte verzichten müssen.

Seit Mai 1995 sitzt Wang Dan ohne Anklage in Untersuchungshaft. Erst am 3. Oktober war er formal verhaftet und angeklagt worden. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete das Urteil in wenigen Worten. Dem Richterspruch zufolge verstieß Wang, der als Anführer der 1989 auf dem Tiananmen-Platz niedergeschlagenen Demokratiebewegung bereits dreieinhalb Jahre in Haft verbracht hatte, gegen seine Bewährungsauflagen. Er habe mit ausländischen Organisationen zusammengearbeitet und die Staatssicherheit gefährdet. Außerdem wurde Wang der Zusammenarbeit mit dem Dissidenten Wei Jingsheng beschuldigt. Dieser war vor einem Jahr in einem ähnlichen Prozeß verurteilt worden.

Als Beweisgrundlage gegen Wang dienten unter anderem seine Artikel in ausländischen Zeitungen, Spenden aus dem Ausland und Petitionen. Wang Dan habe seine Aktivitäten zum Hochverrat zugegeben, berichtete Xinhua. Von einem Schuldeingeständnis war keine Rede. Dies entspricht Äußerungen seiner Familie, Wang Dan werde sich für „nicht schuldig“ erklären.

Für die Verhandlung traf die Polizei selbst für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich strenge Vorkehrungen. Weder ausländische Presse noch eine ausländische Beobachterdelegation wurden zu dem Prozeß zugelassen. Einem Korrespondenten wurde mit Ausweisung gedroht. Mindestens zwei Videobänder ausländischer TV- Teams wurden beschlagnahmt.

Die Ablehnung von Beobachtern sei eine Verletzung des Rechts auf einen fairen Prozeß, das in der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen festgelegt ist, sagte Robin Munro, Sprecher der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Asia, in Hongkong. Als UN-Mitglied sei China an die Erklärung gebunden. Richter Cai Yue bezeichnete den Prozeß als offen, fair und rechtmäßig.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights in China legte Ministerpräsident Li Peng eine Petition mit 500 Unterschriften vor, in der die Freilassung Wangs gefordert wird. Zu den Unterzeichnern gehört der diesjährige Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta. Auch amnesty international forderte die Freilassung Wangs. Er selbst will gegen das Urteil Berufung einlegen. Dies teilte seine Mutter mit, die ihn nach dem Prozeß sprach.

Kommentar Seite 15

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