Den Welthandel fairer machen

■ Das Vertrauen der Verbraucher in die Landwirtschaft ist erschöpft. Gentechnik wird die Erwartungen nicht erfüllen. Welche Perspektive bietet ökologischer Landbau? Ertragsteigerungen sind hierbei möglich

In den vergangenen zehn Jahren erlebte der ökologische Landbau einen Boom, von dem andere Wirtschaftsbereiche nur träumen: Wirtschafteten 1986 in Deutschland noch 1.600 Öko-Bauern auf einer Fläche von 20.000 Hektar, sind es heute bereits 6.000 Bauern auf 300.000 Hektar. Vordergründig wurde diese rasante Entwicklung durch die 1992 eingeführte EU-Förderung des ökologischen Landbaus ausgelöst. Wer auf Öko- Landbau umstellt, erhält einen Zuschuß von 200 bis 500 Mark je Hektar.

Fragt man nach den Hintergründen, wird klar, daß nicht die finanziellen Anreize allein die Umstellungswelle bewirkt haben. Vielmehr zwang die ökonomische und ökologische Krise der konventionellen Landwirtschaft zur Suche nach einer neuen, zukunftsfähigen Form der Landbewirtschaftung. Der ökologische Landbau wurde zu einer ernstzunehmenden Alternative – vor allem deswegen, weil er die von einer seit Jahrzehnten fehlgeleiteten EU-Agrarpolitik verursachten Probleme von vornherein vermeidet. Dennoch hält die EU an ihrer „End-of-pipe“-Strategie fest: Anstatt grundsätzlich umzusteuern, zahlt sie lieber Schadenersatz.

Eine flächendeckende Umstellung auf ökologischen Landbau ist langfristig machbar und käme die Steuerzahler billiger als die derzeitige EU-Agrarpolitik. Dies ist das Ergebnis einer von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen veranstalteten Fachtagung mit dem Titel „Ökologischer Landbau – umstellen jetzt!“ Professor Weinschenck von der Universität Hohenheim und Professor Bechmann vom Zukunftsinstitut in Barsinghausen stellten hierzu umfassende Berechnungen vor. Bundeslandwirtschaftsminister Borchert und der Deutsche Bauernverband halten hingegen wenig vom ökologischen Landbau. Ihr Gegenargument: Aufgrund der geringeren Erträge sei der ökologische Landbau nicht geeignet, den künftig steigenden Nahrungsmittelbedarf zu decken. Wahrscheinlich ist, daß die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2020 um 2,4 Milliarden Menschen wachsen wird. Auf diese Prognose bauen die Lobbyisten der Agroindustrie ihre Argumentation: Ernähren könne man die Menschheit in Zukunft nur, wenn es gelinge, die Erträge mindestens auf das Fünffache der derzeitigen EU- Getreideproduktion zu steigern. Deshalb führe an einer weiteren Intensivierung der Landwirtschaft durch verstärkten Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und vor allem Gentechnik kein Weg vorbei.

Doch dieser Weg ist eine Sackgasse. Die industrialisierte Landwirtschaft hat ihre ökologischen Grenzen bereits überschritten. In den Ländern des Südens veröden alljährlich Zehntausende Hektar Land, die erst vor wenigen Jahren gerodet und unter den Pflug genommen wurden. Intensive, nicht standortgerechte Anbaumethoden können zwar kurzfristig Erträge maximieren, aber der Preis dafür ist hoch: dauerhafte Zerstörung des Bodens durch Erosion, Humus- und Nährstoffverlust. 38 Prozent der Ackerflächen sind weltweit bereits degradiert.

In den industrialisierten Staaten des Nordens hat die intensive Anwendung von Nitratdünger und Pestiziden zur Anreicherung dieser Stoffe im Grundwasser geführt. Für die Trinkwasseraufbereitung entstehen in Deutschland jährlich Kosten in Milliardenhöhe. Um diese Kosten zu vermeiden, fördern inzwischen sogar zahlreiche Wasserwerke und Kommunen den ökologischen Landbau.

Neuerdings wird die Gentechnik als Wundermittel gegen den Welthunger angepriesen. Sie wird die in sie gesetzten Erwartungen jedoch nicht erfüllen können: Wenn gentechnisch manipulierte Hochleistungssorten in weiten Teilen der Welt die heimischen Landsorten verdrängen, wird die Gefahr von Hungerkatastrophen eher zu- als abnehmen. Die gentechnische Verarmung kann dazu führen, daß ein einziger Schädling die Ernte total vernichtet. Krankheitserreger können die gentechnisch erzeugte Resistenz immer schneller brechen und dadurch Mißernten verursachen. Zudem werden sich die hungernden Menschen des Südens teures Gen-Tech-Saatgut ebensowenig leisten können wie Dünger, Pestizide, Bewässerungsanlagen und Maschinen. Bei den Befürwortern der Gentechnik offenbart sich dieselbe Technikgläubigkeit, die bereits in der Vergangenheit nur Scheinlösungen produziert hat.

Der ökologische Landbau verhindert diese Fehlentwicklungen von vornherein, weil das Prinzip der Nachhaltigkeit in ihm angelegt ist. Wer die Welternährung langfristig sichern will, muß zuerst den wichtigsten Produktionsfaktor für die künftigen Ernten schützen: den Boden. Durch schonende Bodenbearbeitung, vielgliedrige Fruchtfolgen und ganzjährige Bodenbedeckung wird Erosion vermieden. Ein höherer Humusanteil verbessert die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern und verringert so Ernteausfälle in trockenen Jahren. Der ökologische Landbau liefert dauerhaft stabile Erträge. Er verzichtet vollständig auf synthetische Düngemittel und Pestizide. Der Erlös seiner Ernte bleibt somit beim Bauern und fließt nicht sofort wieder in die Kassen der Agrochemie. Davon profitieren besonders die Kleinbauern in den Drittweltländern: Sie können das natürliche Ertragspotential ihres jeweiligen Standortes stärken und langfristig sichern, ohne kapitalintensive Betriebsmittel einsetzen zu müssen. Auf diese Weise wird die Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln gesichert. Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre belegen, daß in südlichen Regionen sogar erhebliche Ertragsteigerungen durch ökologischen Landbau möglich sind.

Der Welthunger wird jedoch nur zu überwinden sein, wenn neben der nachhaltigen Landbewirtschaftung durch ökologischen Landbau auch die strukturellen Rahmenbedingungen verändert werden. Dazu zählen der Zugang zu Boden und Wasser, verbesserte Bildungschancen und nicht zuletzt eine faire Welthandelsordnung.

Vom 13. bis 17. November findet in Rom die Weltkonferenz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO, statt. Ob wohl mehr dabei herauskommt als obligatorische Lippenbekenntnisse? Steffi Lemke

Die Autorin ist Mitglied des Bundestages für Bündnis 90/ Die Grünen und im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Bericht zur Fachtagung: 5 Mark plus Porto bei Steffi Lemke MdB, Rheinweg 6, 53113 Bonn