: „Wer den Ball hat, ist der Dumme“
■ Werder-HSV: 0:0 / Die 65. Hanseaten-Zuchtprüfung im Weserstadion war eine doppelte Nullnummer von Walter Langlott
ens Todt, Werders neuer Mann im Mittelfeld, hat nicht nur ein markantes Profil, sondern auch Format. „Wer bei uns im Augenblick den Ball hat, ist der Dumme“, gestand er am Samstag nach der Nullnummer gegen den HSV überraschend freimütig ein. Da hätte er besser vorher den Bestseller des Tugendboldes Ulrich Wickert „Der Ehrliche ist der Dumme“ lesen sollen. Vielleicht hat er es aber auch getan. Denn der ehemalige Freiburger, den Werders Gurkenspiele der letzten Wochen auch noch den Platz bei Berti kosteten, zeigte durchaus ein Herz für Zuschauer. „Alles schreit nach Theater“, war auf einem T-Shirt zu lesen, mit dem er und sein Kollege Heiko Scholz in der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen den HSV erschienen waren.
Damit hatten sie recht, die beiden verhinderten Helden. Und wie die 33.400 Zuschauer im Volkstheater Weserstadion geschrien haben. Und anschließend gepfiffen.
Denn was Dixies Flo-Zirkus bei allerdings miserablem Wetter gegen den Konkurrenten aus Hamburg bot, war enttäuschend. Kämpferisch war das Spiel ja durchaus befriedigend, aber spielerisch wurde nahtlos an die ungenügende Partie gegen Leverkusen angeknüpft. Dabei hatte Trainer Dixie Dönier es diesmal offenbar mit einem Trick versucht. Er schickte seine Mannschaft nämlich im blauen Auswärtsdress auf den Platz, in dem beim KSC mit 3:1 gewonnen wurde (in einer spielerisch schlechten Partie!), während die Hamburger die sonst auswärts in Blau spielen, ihr historisches Heimleibchen weiß-rot trugen. Was das wohl wieder sollte? Werder wollte wohl im Weserstadion schon mal erfolgreiches Auswärtsspielen üben. Nach dem alten Otto-Motto: Auswärts unentschieden – Zuhause gewinnen – so wird man Meister.
Aber irgend etwas müssen die Bremer dabei verwechselt haben! Und das im traditionellen Hanseaten-Derby, das nun auch schon in Rente gehen kann. Denn es fand zun 65. Mal statt.
Doch diese 65. Zuchtprüfung ging trotz, oder besser wegen, des 0:0 an die Traber von Felix Magath. Sie erzielten zumindest 8:3 Ecken. Dafür gibt es zwar keine Punkte (warum eigentlich nicht?), aber das Eckenverhältnis beweist, daß der HSV nach vorn gespielt und Druck gemacht hat, wie Felix Magath zurecht hervorhob. Und das nach drei englischen Wochen und einem schweren UEFA-Cup-Spiel in Moskau am Dienstag.
Wäre SV-Star Bäron durch seine eben überstandene Darmgrippe nicht noch geschwächt gewesen, er allein hätte Werder im schweren Rasen des Weserstadions versenken können mit zwei vergebenen todsicheren Chancen. Ansonsten bot der „HIV“, wie Werders Anhang in der schönen neuen Ostkurve unschön skandierte, keinerlei Immunschwächen gegen das ideenlose Spiel der Bremer. Was Werder zeigte, offenbarte nur eins: den Mut zur (Tabellen-)Mitte.
Mit dieser Art Fußball, mit diesem behäbigen und ideenlosen Spiel würde man sich im UEFA-Cup nur bis auf die Knochen blamieren. Dabei haben doch die berauschenden Heimspiele gegen den VFL Bochum und gegen Bayern München gezeigt, daß es geht. Man muß es nur wollen!
Doch damit scheint es im Argen zu liegen: „Uns fehlt zur Zeit der Spaß am Fußball“, nörgelte der kecke Aufsteiger Christian Brand am Spiel seiner Kollegen herum, was seinem Entdecker Dixie Dörner gar nicht gefiel: „Fußball ist eine ernsthafte Sache, bei der es nicht ums Spaßhaben geht“, schnarrte er vor der Presse ärgerlich. Welche Offenbarung! Fußball als Dienst nach Vorschrift? Sollte es etwa deshalb bei Werder nicht mehr so laufen, weil der Trainer seine Mannschaft in ein Spielsystem preßt, das ihr nicht liegt und ihr keinen Spaß macht? Oder liegt es daran, daß Dixie Dörner – ohne Zweifel ein hervorragender Fußballfachmann – unfähig ist, seinen Schützlingen zu vermitteln, was und wie sie spielen sollen? Jens Todt jedenfalls – der Ehrliche ist der Dumme – beklagte sich erneut darüber, daß er noch immer seine Rolle nicht gefunden hat. Ein hohes Gehalt allein sorgt eben nicht automatisch für Spielwitz.
Spaß am Fußwerk aber ist das Erfolgsgeheimnis beim VfB Stuttgart und bei Bayer Leverkusen. „Die Mannschaft lebt, das ist der ganze Schlüssel zum Erfolg, sagte Bayer-Trainer Christoph Daum nach dem erneuten Sieg seiner Mannschaft, diesmal gegen die Gladbacher. Der Fast-Absteiger der letzten Saison steht nur noch einen Punkt hinter dem Spitzenreiter Bayern München!
Mehr Leben muß also in Dixies Flo-Zirkus! Sonst gibt's im nächsten Heimspiel gegen Borussia Dortmund eine Packung. Denn im Fußball gilt der alte Spruch „Dreimal ist Bremer Recht“ nicht viel. Und das Logo der Beamtenversicherung auf den Werder-Trikots, egal, ob blau oder grün-weiß, versichert nicht gegen den Verlust von Punkten und schon gar nicht gegen den Verlust der Spielfreude. Fußballbeamte mit der Lizenz zum Dösen – das fehlte noch! Dann wäre der ehrliche Zuschauer wirklich der Dumme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen