Das Portrait: Bulgariens neuer Staatspräsident
■ Peter Stojanow
Er hatte sich schon nach dem ersten Wahlgang der bulgarischen Präsidentenwahlen als sicherer Sieger gesehen. Am 27. Oktober hatte Peter Stojanow, Kandidat der antikommunistischen Union Demokratischer Kräfte (UDF), immerhin schon 44 Prozent der Stimmen auf sich verbuchen können. Jetzt, nach der Stichwahl am vergangenen Sonntag, ist es amtlich: Stojanow wird für die nächsten fünf Jahre an der Spitze des bulgarischen Staates stehen.
Bislang trat der 44jährige in der Öffentlichkeit eher selten in Erscheinung. 1952 wurde Stojanow in der zweitgrößten bulgarischen Stadt Plowdiw geboren. Sein Vater wurde in den 40er Jahren als Regimegegner verurteilt und verbrachte drei Jahre in einem kommunistischen Arbeitslager.
1976 beendet Stojanow sein Jura-Studium an der Sofioter Universität und arbeitete 15 Jahre als Rechtsanwalt in Plowdiw. Während dieser Zeit erwirbt er sich den Ruf eines der besten Scheidungsanwälte des Landes. Nach den Parlamentswahlen von Oktober 1991 wird Stojanow in der bis jetzt einzigen nichtkommunistischen Regierung unter Filip Dimitrow stellvertretender Justizminister.
Bei internen Vorwahlen setzt sich Stojanow dann im Juni dieses Jahres als Präsidentschaftskandidat der Opposition gegen Amtsinhaber Schelju Schelew durch. Der bezeichnete Stojanows Wahl als „große Manipulation“, kündigte aber gleichzeitig an, nicht mehr bei den Präsidentenwahlen kandidieren zu wollen.
Vielleicht könnten seine Erfahrungen mit Ehescheidungen dem neuen Präsidenten zugute kommen. Denn zumindest für die nächste Zeit muß Stojanow, der laut Verfassung eher auf repräsentative Aufgaben beschränkt ist, mit der sozialistischen Regierung unter Ministerpräsident Schan Widenow zusammenarbeiten.
Trotzdem hat er seine Prioritäten bereits klar abgesteckt. Dazu gehören, als mittelfristige Ziele, Bulgariens Mitgliedschaft in Nato und EU. Außerdem will der neue Staatschef einen „Nationalen Rettungsrat“ gründen, der der Regierung Konzepte zur Lösung der wirtschaftlichen Krise liefern soll. Viel Zeit bleibt dafür nicht. Bulgarien droht in diesem Winter eine Hungersnot. „Ich bin stolz und glücklich, daß mein Land auf diese glänzende Weise diesen Test, diese Wahl bestanden hat“, sagte Stojanow nach seinem Sieg. Jetzt muß er den Test bestehen. Barbara Oertel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen