Nackte Jungen für ganze 18 Mark

■ Verfahren gegen zwei Pornoproduzenten vor dem Berliner Landgericht. Sie sollen thailändische Kinder mißbraucht haben

Berlin (taz) – Richter Heinz-Peter Plefka ist erstaunlich ruhig. Er zeigt dem Angeklagten Thomas S. die Fotos von Tom und Tommy, den beiden Strichjungen aus Pattaya, Thailand. Die Fotos, auf denen Tom und Tommy onanieren, sich gegenseitig streicheln und Tom sich schließlich den Penis eincremt. Die Fotos, die S. genau kennt, denn er hat sie ja selbst gemacht. „Wie alt schätzen Sie die beiden?“ will Richter Plefka wissen. „So 12, 13“, antwortet S. „Und wozu soll das Eincremen dienen? Doch wohl zum analen Einführen des Gliedes.“ „Nee, die wollten das bloß spielen. Richtigen Analverkehr hat es nicht gegeben.“

28 Fälle von Kinderpornographie werden Thomas S. (33) und Dieter Fritz U. (43) vorgeworfen. Sie sollen zwischen Anfang 1994 und August 1995 entsprechende Filme und Fotos produziert und vertrieben haben. Gesamteinnahmen: 22.991 Mark.

Seit gestern läuft gegen die beiden „ein in Deutschland bisher einmaliges Verfahren“, so die Berliner Oberstaatsanwältin Monika Diederichs. Erstmals würden Deutsche vor ein deutsches Gericht gebracht, die im Ausland pornographische Geschäfte im großen Stil betrieben hätten. Grundlage dafür ist eine Bonner Gesetzesänderung vom September 1993, die die Bestrafung von Kindesmißbrauch im Ausland in Deutschland möglich macht. Der Prozeß vor dem Berliner Landgericht soll über sieben Verhandlungstage gehen, den Angeklagten drohen bis zu zehn Jahren Haft.

S. und U. lernten sich Anfang der 90er Jahre kennen, als die Software-Firma von S. kurz vor der Pleite stand. U. hatte schon damals eine Firma, die Sexheftchen und FKK-Bilder vertrieb. Im Januar 1994 reiste S. dann das erste Mal nach Pattaya. Vor Gericht erzählt er, wie er sich für 300 Baht pro Nacht (zirka 18 Mark) Strichjungen kaufte, die er in seinem Hotelzimmer filmte und fotografierte. Der große Blonde, der sich zu seiner pädophilen Homosexualität offen bekennt, betont, daß er die Aufnahmen aber nur für die „private Nutzung“ gemacht habe. Außerdem habe er eigentlich nur FKK-Bilder machen wollen, aber die Jungen hätten vor der Kamera gleich losgelegt. Nein, er habe sie niemals zu irgend etwas gezwungen.

Auch U. soll Kinderpornos gedreht haben, allerdings in Deutschland. Der Anklage liegen unter anderem Serien wie die „Markus-Trilogie“ („Markus allein zu Haus“) vor, in denen ein Junge Bestrafungsszenen ausgesetzt wird. Er wird dabei mit einem Stock geschlagen und sexuell mißbraucht. Auch U., leicht untersetzt, mit Kinnbart und Halbglatze, sagt aus, die Filme seien nur für den „privaten Bedarf“ gedreht worden.

Trotzdem, so die Anklage, hätten U. und S. im Dezember 1994 die Firma artWare Ltd. gegründet, um die Aufnahmen zu vertreiben. S. sei fortan in Pattaya für die Produktion und den Versand von Fotos zuständig gewesen, während U. von Berlin aus die Videos verschickt hätte. Das Geschäft war im Herbst 1995 aufgeflogen, nachdem der Zoll in Frankfurt verdächtige großformatige Briefe aus Pattaya geöffnet hatte. S. und U. wurden im November desselben Jahres verhaftet. Florian Gless