piwik no script img

Kein Deutscher ohne blaue Augen

Wachmänner der Ausländerbehörde wegen Körperverletzung vor Gericht  ■ Von Lisa Schönemann

Demonstrativ gut gelaunt drängelten sie sich gestern auf der Anklagebank: Fünf sportliche Wachmänner der privaten Sicherheitsfirma ASS. Laut Staatsanwaltschaft soll jedem der fünf schon mehrmals die Hand kräftig ausgerutscht sein - nicht zu Hause, sondern im Dienst, und zwar in der Ausländerbehörde in der Amsinckstraße. Seit gestern müssen sich die fünf Männer daher wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung vor dem Hamburger Amtsgericht verantworten.

„Ich sprach gerade mit einem anderen Araber, als ich Schreie hörte“, berichtet Ashraf A. am ersten Prozeßtag. Im Mai 1995 begleitete er eine Familie aus Ägypten zum Ausländeramt. Sein Freund, der kein Deutsch verstehe, sei damals von den Wachmännern derart „geschubst“ worden, daß er keine Luft mehr bekommen habe.

Als Ashraf A. ihm zu Hilfe eilen wollte, habe einer der Männer auch ihm den Arm auf den Rücken gedreht. Dann sei er geschlagen und getreten worden. Das Ergebnis der Mißhandlung: Diverse Prellungen und eine aufgeplatzte Lippe. Ein Deutscher, so hätten die Männer gepöbelt, müsse „blaue Augen und blonde Haare haben“. Ihn selbst hätten sie als „Kanaken“ beschimpft.

Außerdem, so Ashraf A., habe er von vielen Ausländern gehört, daß es in der Ausländerbehörde so einen Raum gebe, „in den die Wachleute ihre Opfer zerren“. Da Ashraf A. die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und nicht auf ein laufendes Asylverfahren Rücksicht nehmen muß, entschloß er sich, die Männer anzuzeigen.

Ein weiterer Zeuge, der selbst ebenfalls über einen gesicherten Aufenthaltsstatus verfügt und nur für einen Freund übersetzen wollte, berichtete gestern, er sei von den Wachleuten im Eingangsbereich die Stufen hinuntergestoßen, später dann in den Fahrstuhl und in ihr Büro gezerrt worden. Auch er mußte später ärztlich behandelt werden.

„Wo leben wir denn?“, rief Oktai K. verzweifelt vor Gericht aus. Einer der Wachmänner entgegnete darauf, der Türke habe ihn angegriffen und nicht umgekehrt. Mehr wollten die Sicherheitskräfte gestern auf Anraten ihrer Anwälte nicht erzählen. Der Prozeß wird fortgesetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen