: Vereint dank Abwasser – Nikosias Bürgermeister arbeiten zusammen
Abwasser verbindet. Wenn die Kanäle vollaufen, sind blumige politische Erklärungen zwecklos, praktische Lösungen gefragt. Weil die geteilte Hauptstadt Nikosia nach dem Zypernkrieg 1974 buchstäblich in der Scheiße stand, entwickelte sich über die Pufferzone hinweg eine einmalige Kooperation der beiden Bürgermeister der Stadt. Ihr Antreiber ist Lellos Demetriades: Dem charismatischen Chef der Stadtverwaltung im Süden gelang, was bisher keinem Politiker geglückt ist: Gemeinsames Handeln zum Wohle der Bürger beider Seiten. Und längst ist das 1979 gestartete Projekt über die Abwasserentsorgung hinaus. Demetriades und sein zyperntürkischer Partner Semi Bora betreiben gemeinsame Stadtentwicklung.
Das funktioniert freilich nur mit einem Trick. Weil beide Konfliktparteien auch die Bürgermeister und Stadträte gegenseitig für „illegal“ erklärt haben, werden die Stadtväter als „Repräsentanten der zyperngriechischen bzw. zyperntürkischen Gemeinschaft“ tituliert. „Die Treffen für die Stadtentwicklung und das Abwassersystem haben alle Stürme überstanden“, berichtet Demetriades. Auch jetzt, nach den tödlichen Schüssen an der Demarkationslinie, treffen sich die Bürgermeister, die offiziell nicht so genannt werden dürfen, und ihre Vertreter ohne Probleme. Finanziert und koordiniert wird die Zusammenarbeit über das UN-Flüchtlingshilfswerk.
So ist in den Stadtvierteln Arab Ahmet (türkisch) und Chrysaliniotissa (griechisch) wertvolle historische Bausubstanz vor dem Verfall gerettet worden, wurde neuer Wohnraum für junge Familien bereitgestellt. In die schon fast verlassenen Gassen zog neues Leben ein. Und Demetriades, den alle in der Stadt nur Lellos nennen, denkt schon weiter: Neue Projekte wie etwa eine Restaurierung der Altstadtmauern werden geplant.
Der gemeinsame Stadtentwicklungsplan legt für die Zukunft weise zwei Alternativen vor: eine geteilte und eine vereinte Stadt. Demetriades macht freilich keinen Hehl daraus, welche Version er bevorzugt: die vereinte. „Eine Wiedervereinigung ist kein Traum. Für diejenigen, die glauben, ich sei ein romantischer und zu optimistischer Bürgermeister, sage ich nur ganz einfach, daß ich keine Stadt der Welt kenne, die für immer geteilt blieb.“
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