: Schwarz wie Ebenholz
■ Ab morgen: Afrikanische Schnitzereien im St.-Joseph-Stift
Träume zerbröseln für gewöhnlich im Alltag. Doch an einem ansonsten völlig unauffälligen Frühsommertag hat der Schutzpatron der Phantasie sich einmal durchgesetzt. Helgard Warns, im St.-Joseph-Stift für die Kunstausstellungen zuständig, wagte ihren Ohren nicht zu trauen. Sie hatte sich nur auf die Suche nach ein paar Leihgaben für den Brunnenhof des Krankenhauses gemacht. Zurück kehrte sie mit vollen Armen. Ein ganzes Museum mit 3.000 kleinen, aber zum Teil auch mannshohen Ausstellungsstücken afrikanischer Ebenholz-Schnitzkunst war ihr zum Nulltarif in den Schoß gefallen. Nur Abholen mußte sie sie.
Ab Sonntag eröffnet man nun im St. Joseph-Stift mit „Die Schnitzkunst der Makonde - Skulpturen aus Ebenholz“ eine Schau, die unter Kennern als kleine Rarität gefeiert wird. Schließlich hat kaum ein Museum solch eine vollständige und reichhaltige Sammlung von Ebenholzschnitzereien der ostafrikanischen Makonde. Und sogar die Präsentation von Kunst im Krankenhaus, die sonst manchmal merkwürdig und deplaziert anmutet - hier macht sie Sinn. Schließlich war es ein katholischer Pfarrer der bis zu seiner Pensionierung, durch Missionstätigkeit angeregt, mit den Schnitzern der Makonde regen Handel pflegte und so zu der großen Ebenholzsammlung kam, die nun im katholischen Krankenhaus ein neues Heim gefunden hat.
Seit Jahrhunderten verstehen sich die Schnitzer aus der Grenzregion darauf, das Ebenholz zu bearbeiten. Technik und Motive werden im ostafrikanischen Grenzgebiet zwischen Tansania und Mosambique gegenüber der Insel Madagaskar vom Vater auf den Sohn tradiert. Die Motive der schlanken Statuen speisen sich aus der Mythenwelt der Künstler. „Shetani“, Kobolde oft halb Mensch halb Tier oder „Ujammaa“ wie die Lebensbäume heißen, die für die hochangesehene Bewahrung der Familien stehen, und daneben plötzlich christliche Symbole, die eindeutig aus der Zeit des Missionierung stammen. Neben den eleganten langbeinigen Statuen der afrikanischen Fabelwesen, Weihnachtskrippen, „drei Marien vor dem Kreuz“ und einer Schulszene, die Kinder, Lehrer und Schultafel zeigt.
Die unprätentiöse Ausstellung der Statuen spiegelt die unterschiedlichsten Einflüsse auf die afrikanische Gesellschaft wieder. Jedes Stück ist ein Unikat. „Ich schnitze meine Träume“, soll das Motto eines Künstlers gewesen sein. Mit dem Ebenholz, genauer dem schwarzen Kern, haben sie sich ein haltbares Material gewählt. Ist er erst einmal mit der primitiven Queraxt und dann in geduldiger Schnitz- und Schleifarbeit bearbeitet, kann er Jahrhunderte überdauern und als Hausgeist dienen. In Zukunft können sie diese Aufgabe auch in Bremer Haushalten übernehmen. Denn da nicht für alle 3000 Exponate im Krankenhaus Platz ist, wird es am 23. November einen Afrika-Basar im St.-Josef-Stift geben, bei dem die Ebenholz-Statuen erworben werden können. Der Erlös geht an Misereor-Projekte im Herkunftsland der Schnitzer.
Susanne Raubold
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