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Grüner Punkt mit Lizenz zum Abkassieren

■ Laut Koalitionsvertrag müßte die Umweltverwaltung wegen nicht erreichter Sammelquoten dem Dualen System die Grundlage entziehen. Kein politischer Wille für möglichen Schritt zu mehr Mehrweg

Berlin kann als erstes Bundesland das umfassende Müllabfuhr- und Recyclingsystem des Dualen Systems (DSD) aus den Angeln heben – wenn sich die Große Koalition an ihre eigenen Vorgaben hält. Die lange umstrittenen Sammel- und Sortierquoten des Berliner DSD-Auftragnehmers DASS („Die andere Systementsorgungsgesellschaft“) liegen für das Jahr 1995 teilweise weit unter den bundesweit vorgeschriebenen Quoten. Das geht aus dem Mengenstromnachweis hervor, den die Umweltverwaltung regelmäßig erstellen läßt. Für diesen Fall sieht die Koalitionsvereinbarung das Ende des Dualen Systems vor.

Während die DASS laut Mengenstromnachweis 1995 bei der Sammlung von Glas, Papier und Verbundstoffen die Quoten erfüllt hat, verfehlen die Recycler diese Mengen für Verpackungen aus Kunststoff, Weißblech und für das Sortieren von Aluminium. Die Koalitionsvereinbarung verlangt aber, „für Verpackungsmaterialien, die die Erfassungs- und Sortierquoten der Verpackungsverordnung nicht erfüllen, die Freistellung von der Rücknahmepflicht“ aufzuheben. Die Freistellung ist die Grundlage des Dualen Systems – sie enthebt den Handel von der Rücknahme der Verpackungen, statt dessen müssen die Grüner-Punkt-Kutscher den Verpackungsmüll abtransportieren.

Von ihrer Vereinbarung wollen die Koalitionäre inzwischen nichts mehr wissen. Der SPD-Umweltsprecher Peter Meyer verweist auf die nächste Sitzung des Umweltausschusses. Und Meyers CDU- Pendant Uwe Goetze findet, die Vereinbarung sei gar nicht bindend: „Man muß den gesamten umweltpolitischen Nutzen einer solchen Rücknahme sehen. Im Gegensatz zu anderen bekämpfen wir nicht das System DSD.“ Auch Umweltsenator Peter Strieder (SPD) warnte vor einem „Widerrufs-Automatismus wegen nicht erfüllter Quoten“, den er selbst als Mitglied der SPD-Verhandlungsdelegation bei den Koalitionsverhandlungen mit in die Vereinbarung geschrieben hatte. Eine Entscheidung über den Widerruf werde er erst nach sorgfältiger Abwägung und „nach pflichtgemäßem Ermessen“ treffen. Das DASS hat angekündigt, gegen einen Widerruf Klage zu erheben.

Greenpeace forderte Strieder auf, das Geld der Verbraucher von der DASS zurückzuverlangen, das die Gesellschaft für die nicht erbrachte Leistung der Sammlung kassiert habe. Nach Berechnungen von Gudrun Pinn, Müllexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), zahlen die BerlinerInnen jährlich 175 Millionen Mark über den Grünen Punkt an das Duale System: „Eine enorme Summe für eine miserable Leistung. Keinem anderen privatwirtschaftltichen Unternehmen ist es gestattet, derartig viel Geld für so wenig Leistung zu kassieren.“

Im Gegensatz zu den Politikern sieht Pinn bei einem Widerruf der Freistellung nicht das Müllchaos über die Stadt hereinbrechen. Die gelben Tonnen blieben erhalten, da die DASS ja weiterhin Verbundkunststoffe sammele. Bei Getränke-Einwegverpackungen aus Weißblech, Kunststoff und Alu und auf Verpackungen für Reinigungsmittel und Dispersionsfarben zahle der Kunde ein Pfand, das er im Laden zurückbekomme. Bernhard Pötter

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