: In der Entwertungslotterie
■ Die slowenischen Kunstrocker Laibach vertonen Gott und andere Mißverständnisse
Auch linke Feind-Mythen sind resistent gegen Nachdenken. Type-O-Negative und Böhse Onkelz sind einmal Faschisten, immer Faschisten, Wiglaf Droste ist ein Rassist, Sexist und böse, und Lai-bach sind Totalitarismus-Verherrlicher. Die slowenischen Kunstrocker zumindest sind jetzt halb weichgeklopft von derartigen „Mißverständnissen“ und beginnen ihren Witz durch ganz ernstgemeinte Erklärungen ihrer Verhaltensweise zu zerstören.
Auf seitenlangen Selbstdarstellungen versuchen sie ihre künstlerische Taktik dahingehend zu deuten, daß sie nur die Aufklärung und die gesellschaftliche Analyse hochhalten, und die Verwirrung ihres Publikums beschreiben sie dazu mildernd in Begriffen einer Gesprächstherapie.
Natürlich sind auch derartige Statements noch gefaßt von der Laibach-typischen, perfiden Begriffsverklärung. Nur die größten Welterzählungen wie Gott, Nato, Freud, Marx, Hollywood oder Tito werden in die große Lostrommel der intellektuellen Entwertungslotterie geworfen, um daraus immer wieder den Zettel mit derselben Losnummer zu ziehen: Moral.
Mit diesem Nichts und Alles wollen sie den Totalitarismus ärgern, den Kapitalismus durchscheinend machen, die Religion in ihrer unsterblichen Hinterfotzigkeit entlarven und den Menschen als Wesen ohne Weltgeist den ozeanischen Kräften der Gier entreißen. So wird Moral zum letzten Leerbegriff einer schildbürgerhaften Philosophie des Daseins.
Musikalisch ist diese immer wieder amüsant zu verfolgende Theorie-Fetischisierung dagegen etwas ausgezehrt. Gott, das Thema auf Jesus Christ Superstars, wird nach derselben Masche in Szene gesetzt wie das Kapital, die Nato oder Opus Dei. Krachlederne Pathosformeln müssen immer wieder bemüht werden, um das Sublime ihres Anliegens von allem Subtilen zu befreien. Metal-Gitarren, Electric-Body-Beats, sozialistische Chöre, verkrampft tiefliegende Stimmlufthämmer und Cover-Versionen, deren symbolische Benutzung ihre ursprüngliche Qualität ins Nichts auflöst, schaffen seit 16 Jahren eine immer gleiche Atmosphäre, für die es relativ egal ist, ob das Fundament mehr aus Industrial, Techno oder Rock besteht: Hauptsache brachial.
Das gilt auch für Jesus Christ Superstars, und damit sind alle Axiome benannt. Till Briegleb
Mo, 25. November, 21 Uhr, Markthalle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen