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: Jane Austens Verführung

Sinn und Sinnlichkeit von Ang Lee zeigte, was bei der Verfilmung eines Jane-Austen-Romans geschehen kann. Denn das für Austens Heldinnen typische zarte emanzipatorische Aufbegehren gegen die Starrheit der vorviktorianischen Gesellschaft scheint wie geschaffen für eine emotional überbordende David-gegen-Goliath-Inszenierung. Dazu fordern es blühende englische Landschaften, romantisch verregnete Wiesen und eindrucksvolle Herrensitze geradezu heraus, als pittoresker Hintergrund in Szene gesetzt zu werden. Um so angenehmer ist es, daß sich Jane Austens Verführung von Roger Michell derartigen Konventionen entzieht. Ganz im Gegensatz zu Sinn und Sinnlichkeit zeichnet Jane Austens Verführung der Versuch aus, einen eher dokumentarischen Rückblick auf das beginnende 19. Jahrhundert vorzustellen. Der Vorteil liegt darin, daß über diese Distanz zum Geschehen ein Blick auf Verhältnisse angeboten wird, der eher einer analysierenden Teilnahme entspricht.

Im Zentrum steht Anne (Amanda Root), die wenig geliebte Tochter des verwitweten Sir Walter Elliot. Dessen eitler Snobismus zwingt ihn dazu, den Familiensitz zu vermieten und sich in die Stadt zurückzuziehen. Anne ist unglücklich verliebt in den Marineoffizier Frederick Wentworth (Claran Hinds), den sie vor Jahren seiner Mittellosigkeit wegen nicht hatte heiraten dürfen. Als Wentworth wieder in ihr Leben tritt, entwickelt sich ein Reigen der Vermeidung und Zurückhaltung. Dabei wurden Ensemble und Landschaften ohne die Stilmittel inszeniert, die in der Regel Historienfilme auszeichnen. So wurde kaum zusätzliches Licht bei den Dreharbeiten verwendet – kerzenbeleuchtete Diners bleiben kerzenerleuchtet dunkel. Auch ist Anne keine Mainstream-Schönheit, sondern entwickelt ihre eigene Anziehungskraft. Das Dokumentarische, oft Theaterhafte der Inszenierung gibt selbst dem Happy End nichts Triumphales. Abwartend bleibt der Blick, liebevoll und aufmerksam.

Jan Distelmeyer Abaton