: Eltern eines verstorbenen Kindes
■ Ein Rückblick auf die jetzt zu Ende gegangene, 17jährige Geschichte des Hamburger Filmbüros
Das Filmbüro ist tot, und ein „Lang lebe der Hamburger Filmverein“ auf den Nachfolger bleibt vorerst noch im Halse stecken. Das Filmbüro kollabierte Ende letzter Woche nicht nur wegen ausbleibender kulturbehördlicher Unterstützung und dem Knebel Zeisegelände-Verwaltung, sondern vor allem wegen seiner filmkulturellen Funktionslosigkeit. Seitdem bei einer strukturellen Neuordnung der Hamburger Filmpolitik 1995 auch die kulturelle Filmförderung, für die bis dahin das Filmbüro zuständig war, in die Hände der neugegründeten Hamburger Filmförderung überging, war die traditionsreiche Institution eh praktisch nur noch eine Verwaltungsfirma für das Zeisegelände.
Was Hamburg mit dem Filmbüro verliert, mag ein Rückblick auf seine Geschichte verdeutlichen.
Als die Verwertungswut langsam abebbte, mit der die großen Produktionsfirmen in Berlin und München fratzenhafte Nachkriegsheiterkeit in Heimatfilmen mit Bergpanoramen rahmte, und die Bewegung des Neuen Deutschen Films seine wilden Wunderkinder aus Schwabingen „Papas Kino“ entgegen hielt, da zuckte und bewegte sich längst auch etwas in Hamburg. Zunächst noch im Umkreis einzelner, wie Experimental-Filmer Helmut Herbst, bald aber als lebendige Szene aus Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilmregisseuren. Was fehlte, war ein gemeinsamer Kommunikationsort, konsequente Lobbypolitik und ein strukturelles Netzwerk, eben ein Filmbüro. Um die Elternschaft dieser nach 17 Jahren verstorbenen Einrichtung, in der Filmemacher zusammen mit einem mehr oder minder unabhängigen Gremium über die Vergabe von Fördermitteln entschieden, wird gerne gemunkelt. Ob nun Hark Bohm („Sie sprechen gerade mit dem Vater des verstorbenen Kindes“) den allein entscheidenden Impuls gegeben hat, oder nicht – fest steht, daß der damalige Hamburger Oberbürgermeister Ulrich Klose (SPD) ein offenes Ohr für den zierlichen, nickelbebrillten Münchner und sein Anliegen, ein Fest des neuen deutschen Kinos zu veranstalten, hatte.
Und Klose gab nicht nur sein o.k., sondern versprach, sich auch für ein selbstverwaltetes Filmemacher-Büro einzusetzen, das später zum Modell aller weiteren Büro-Gründungen in der gesamten Republik avancieren sollte. Regisseur Reinhard Hauff und die spätere Filmbüro-Geschäftsführerin Helga Bär trafen sich in der Admiralitätstraße, planten, debattierten, suchten nach Räumen und fanden das Zeise-Gelände in Ottensen.
Der Geldpott (anfänglich 3 Millionen Mark) wurde geschwisterlich geteilt, zwei Drittel für Spielfilmer und eines für Experimental- und Dokumentarfilmproduktionen.
Die Liste der Mitglieder konnte sich sehen lassen: Vlado Kristl, Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, Harun Farocki, Reinhard Hauff, Rolf Schübel, Helke Sander, Jan Schütte, Hermine Huntgeburth, Thomas Mitscherlich, Elfi Mikesch, Lars Becker, Christoph Schlingensief, Detlev Buck, Romuald Karmakar, Andres Veil, um nur einige zu nennen.
Stänkerer von außen gab es immer. Blockierender waren jedoch Intrigen und Unkenrufe aus den eigenen Reihen. „Das Hermetische, der Exklusivitätsanspruch der Experimental-Ecke, ihr hartnäckiges Abwenden vom Publikum“, meint Bohm, „dadurch hat das Filmbüro einiges verpennt. Zum Beispiel auch die Mitentwicklung der deutschen Komödie.“
Auch der Vorwurf die Filmemacher würden ihr Büro als „Selbstbedienungsladen“ nutzen, saß tief. „Davon konnte keine Rede sein“, entgegnet Filmemacher Lars Becker: „Wer einen großen Film produzieren wollte, mußte sich mehrere Förderquellen sichern. Da nützte es gar nichts, wenn man in einem Gremium mal einen kannte. Im Filmbüro hat man Talente wie Jan Schütte oder Hermine Hundgeburth entdeckt. Wirklich ein Ort filmischer Visionen und nötiger Lobbyarbeit“.
Auch Spielfilmer Jan Schütte trauert: „Wenn es so etwas gibt wie ,Kinder vom Filmbüro' – dann sind es meine Filme..., Das Filmbüro war der Humus, oft auch Sumpf, in dem und aus dem heraus ich meine Filme drehen konnte“.
Birgit Glombitza
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen