piwik no script img

■ NachschlagEiswürfel im Whiskeyglas - Hubbard Street Dance Company

Hier klopft keiner mit dem Taktstock an das Dirigentenpult; eher schon glaubt man Eiswürfel im Whiskyglas klimpern zu hören, wenn sich die Pianomusik von Willy Smith langsam über das Murmeln der Zuschauer blendet. Laß dich fallen und amüsier dich: Dafür geben die girls and boys der Hubbard Street Dance Company aus Chicago ihr Bestes oben auf der Bühne. Die Verführung beginnt mit einem Jazzballett von Twyla Tharp, das an den Glamour und die Eleganz großer Revuen erinnert. Von Kulissen und Kostümen entrümpelt, vom Kitsch entschlackt, bleibt nichts als Tanz, leicht, schnell, präzise und komplex. Die alten Sterotype werden spielerisch zitiert und mit flinken, minimalen Verschiebungen ironisiert. Mit „Baker's Dozen“ gibt die 1977 von Lou Conte gegründete Compagnie ihre Visitenkarte ab: Populäre Kultur und Klassik werden gleichermaßen zum Material der Interpretation. Ihr Ausgangspunkt aber ist stets eine Gegenwart, die sich des Verbrauchs des Körpers und seiner ständigen Manipulation bewußt ist.

Fünf Choreographien, zwischen 10 und 20 Minuten lang, umfaßte das erste Paket des Gastspiels, vielseitig geschnürt. „The 40s“, von Lou Conte selbst, blendete zurück in die Zeit des Swings, als das wippende, zitternde, schlotternde Knie sich wie ein völlig eigenständiges Organ seinen Weg durch den Dschungel der Körper zu bahnen begann. Mit der aggressiven Spannung einer Generation, deren Mütter sich mit Aerobic fit halten, während die kleine Schwester als Punk rumbollert, zeigten 5 Tänzerinnen knapp an der Hysterie vorbeischrammende Körperbilder in „Step out of Love“. In „Super Straight“ von Daniel Ezralow erreichte die Elastizität ein fast utopisches Ausmaß, wenn sie sich schräg in die Sprünge warfen und wieder in die Luft hochrissen.

Jedes Musicaltheater, zumal in Deutschland, kann wahrscheinlich von einem so qualifizierten Ensemble nur träumen. Restlos befriedigend ist der Abend dennoch nicht: Es bleibt das Gefühl, einer Werbeveranstaltung beigewohnt zu haben, die Kostproben verteilt. Katrin Bettina Müller

Bis 8.12., 20 Uhr, Schiller Theater

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen