: Gestreichelter Beckenrand
■ Interkulturelle Avantgarde bei „Fließende Grenzen“
Programmhefte zu Konzerten der Reihe „Fließende Grenzen“ sind an sich schon ein Spaß. Was mag eine „Zheng“ sein? Und was hat ein Klaus Angermann „an Radio und Plattenspieler“ im Philharmonieensemble des NDR zu schaffen? Angermann baut mit am Effektebastelkasten von Sandeep Bhagwani. Bhagwani nimmt sich in seinen Stücken großer Themen an. „Katarakt Meer Katarakt“ spricht von „Kindheit“ und „Reife“ und bestach durch die aufgebotenen Effekte. Hier mußte ein Gong geschlagen, dort wollte der Rand eines großen Ride-Beckens mit Geigenbögen gestrichen werden. Und manchmal waren die Schlagwerker so beschäftigt, daß sie in jeder Hand zwei Schlagstöcke halten mußten. Leider erschlugen sie damit die für das Streichquartett vorgesehenen kompositorischen Feinheiten.
In „Exterritorial“ hatte dann Angermann seinen Auftritt. Die assoziierte Unmöglichkeit der Kommunikation wird dadurch repräsentiert, daß Angermann an seinem Radio dreht und keinen Sender reinkriegt.
Der zweite Komponist Chen Xiaoyong, ist genügsamer, was Klangmaterial und Ansprüche angeht. So begnügte sich der zweite Satz von „Evapora“ damit, ein anfänglich akzentloses, trillerartiges Motiv am Klavier stetig zu wiederholen, dann aber die Akzente durch den Takt rotieren zu lassen. Unterstützt von einer nörgelnden Oboe verwandelt der Triller sich in eine chromatische Tonleiter und – plopp – entsteht ein spannendes Stück Avantgarde-Musik.
Um auch die erste Frage zu beantworten: Die Zheng ist eine chinesische Zither, bei der ein Ton noch im Klingen angehoben oder gesenkt werden kann. So wie im Chinesischen die Bedeutung derselben Silbe sich ändert, wenn sie in einer anderen Tonhöhe ausgesprochen wird, so verschob die Solistin Xu Fengxia ganze Phrasen des Stückes „Circuit“. Spannend, interkulturell ohne lästigen Exotismus: Chen macht Spaß.
Matthias Anton
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