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Zu stark für Drogen

■ Suchtprävention beginnt im Kindesalter - doch Erzieher fühlen sich von Eltern alleingelassen

Zwei Kindergartenkinder toben ausgelassen mit einem Luftballon herum. Dann gibt es eine kleine, genußvolle Massage mit einem „Gummiigel“, und schließlich kehrt für einen Moment entspannte Ruhe ein. Diese „Stille Stunde“, die die Erzieherin Traute Gieschen im Kindertagesheim (KTH) Marßel eingeführt hat, ist ein Ergebnis der Fortbildung „Suchtprävention im Kindergarten“. Das dreijährige Modellprojekt, in dem Erzieherinnen im Sinne einer „ganzheitlichen Erziehung“ fortgebildet werden, ist eine Kooperation des Präventionszentrums Bremen-Nord und der Techniker Krankenkasse. Suchtprävention schon für die Kleinen? Ist das nicht etwas verfrüht? Nein, meinen die Initiatoren des Projekts, denn die Grundlagen für späteres abhängiges Verhalten werden schon in den ersten Lebensjahren gelegt. Allerdings: Prävention im Kindergarten erfordert andere Zugänge als beispielsweise in der Schule oder in der Jugendarbeit. „Dort machen die Kinder ihre ersten Erfahrungen im Umgang mit anderen und mit ihren Gefühlen. Dabei spielt die Arbeit der Erzieherinnen eine wichtige Rolle. Sie sind die Vorbilder, an denen die Kinder lernen“, sagt Lasse Berger vom Präventionszentrum. Insgesamt elf Mitarbeiterinnen aus sechs KTHs und einem Spielhaus nehmen seit 1993 am Modellprojekt teil. In Fortbildungsseminaren kommen sie ihrem eigenen (Sucht-) Verhalten auf die Spur, lernen Strategien zur Konfliktlösung und wie man mit sogenannten verhaltensauffälligen Kindern umgeht. „Oft entsteht Sucht, weil man bestimmte Gefühle nicht aushalten kann oder will. Ich möchte den Kindern vermitteln, daß negative und positive Gefühle zu ihnen gehören und daß sie darüber sprechen können“, sagt Traute Gieschen.

Wer sich selbst etwas wert ist, zerstört sich nicht selbst, sagen die Erzieherinnen aus dem Präventionsprojekt. Sie wollen die Kinder stark machen – zu stark für Drogen. „Wenn ein Kind dauernd nervt, wende ich mich ihm jetzt eher mal mit Streicheleinheiten zu, anstatt zu schimpfen. Denn oft bekommen die Kinder davon zu wenig“, erzählt Silvia Sense aus dem KTH Grambke.

Ähnliche Erfahrungen macht auch Lasse Berger, wenn er im Präventionszentrum-Nord mit suchtgefährdeten Jugendlichen arbeitet. „Die sitzen bei uns und sagen: –Keiner liebt mich oder redet mit mir über meine Probleme.“ Bergers Rezept für eine erfolgreiche Suchtprävention heißt: Liebevolle Zuwendung und Kinder und Jugendliche ernst nehmen. Nach über zwei Projekt-Jahren stellen die beteiligten Erzieherinnen fest, daß die Kinder in ihren Gruppen entspannter sind, „weil sie wissen, daß sie über alles mit uns reden können“, sagt Monika Merschonat aus dem KTH Flintacker.

„Auch darüber, wenn ihnen was an uns nicht paßt. Ich habe weniger Angst vor Autoritätsverlust.“ Enttäuscht sind die Frauen über die Eltern der Kindergartenkinder. Das Konzept, sie in die Prävention miteinzubeziehen, ist nicht aufgegangen. Für die Info-Abende über gesunde Ernährung oder Suchtverhalten interessierten sich nur wenige.

Finanziert wurden die Fortbildungsseminare von der Techniker Krankenkasse (TK). Aber damit ist es Ende 1996 vorbei, so die Leiterin der TK-Landesvertretung Bremen, Brigitte Fuhst.

Weil die Bundesregierung den Paragraphen 20 aus dem Sozialgesetzbuch gestrichen hat, dürfen Krankenkassen in Zukunft keine Gesundheitsvorsorge dieser Art übernehmen. Brigitte Fuhst ist sauer: „Dabei sind gerade solche präventiven Maßnahmen mit Kindern wichtig.“

Beate Hoffmann

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