piwik no script img

Brauereipferde, wie die Wissenschaft sie sieht

■ In der Reihe „Bremer Tagebuch“ zeigt die Landesbildstelle gefilmte Bremensien – mit wissenschaftlichem Anspruch / Mittlerweile im zehnten Jahr

Zumindest einmal im Jahr ist die Landesbildstelle in der Uhlandstraße 53 gerammelt voll. Mit Publikum kreuz und quer aus allen Bevölkerungsschichten: vom ehemaligen Kapitän über die junge Umweltschützerin „bis hin zu Obdachlosen, die manchmal mit ihrem ganzen Gepäck hier auftauchen, um sich aufzuwärmen, und dann aufmerksam zuzuhören“, wie Heiko Gertzen, Bildstellen-Mitarbeiter, mit Begeisterung zu berichten weiß.

Abseits vom Betrieb der Hochkultur und weitgehend unbeachtet von der alternativen Soziokultur, feiert morgen abend eine ganz eigene Veranstaltungsreihe ihre 75. Ausgabe: Das „Bremer Tagebuch“ der Landesbildstelle. Mittlerweile im zehnten Jahr seines Bestehens, hat sich das „Tagebuch“ von einem Forum für die verschworene – und etwas verschrobene – Schar begeisterter Filmamateure zu einer Veranstaltungsreihe mit ernstzunehmendem wissenschaftlichen Charakter gemausert.

Ausgangspunkt der Reihe waren die immer wiederkehrenden Anfragen nach Filmen aus Bremen und der Region, die von der Bildstelle mangels Masse nicht befriedigt werden konnten. Also brach Landesbildstellen-Mitarbeiter Heiko Gertzen eines Tages auf und zog über die Amateurfilm-Festivals und durch die Amateurfilm-Clubs auf der Suche nach brauchbarem Material, das er fortan zunächst in seinem „Bremer Tagebuch“ als öffentliche Premiere zeigte und anschließend ins Archiv übernahm – zur Ausleihe für jedermann.

Ein Unterfangen, das viel Überredungskunst erforderte, denn Amateurfilme, damals noch meist in Super-8 gedreht und nur im Original vorhanden, werden von ihren Schöpfern normalerweise nicht aus der Hand gegeben. Gertzen jedoch konnte Monat für Monat bei freiem Eintritt Filme wie „Musikschau der Nationen“, „Eiswette“, „Ischa Freimaakt“ oder „Beck's Brauereipferde“ den versammelten Heimat- und Filmfreunden zur unterhaltsamen Weiterbildung präsentieren.

Bald kamen auch preisgekrönte Amateurfilme wie Paul Fäthkes „Der Hundertjährige“ (über den Leuchtturm Roter Sand) ins Programm. Im Mai 1993 wurde die Landesbildstelle Mitglied in der Bremer „Wittheit“. Seitdem muß das Programm des „Bremer Tagebuchs“ nicht nur heimatkundlichen Interessen, sondern auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Als Referenten gewinnt Gertzen denn auch inzwischen Wissenschaftler von Institutionen wie der World Wildlife Foundation (WWF), dem Institut für Umweltphysik oder der DASA. Aber auch die Amateurfilmer sind dem geänderten Konzept nicht gänzlich geopfert worden. Einmal im Jahr findet ein obligatorischer Abend statt, an dem die preisgekrönten Filme aus ihren Reihen vorgeführt werden. Moritz Wecker

„Bremer Tagebuch“, monatlich in der Landesbildstelle, Uhlandstr. 53, Eintritt frei, Reservierungen unter Morgen abend 75. Veranstaltung, 20 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen