Kohl plant Straßenblockade

■ Ruhe vor dem Hauptquartier: Das Bundeskanzleramt möchte die Moltkestraße vor dem Sitz des Kanzlers für den Verkehr sperren und umleiten lassen. Kritik von Verkehrsverwaltung und Bezirk

Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) möchte vor seinem neuen Hauptquartier im Spreebogen nicht vom Autolärm gestört werden. Auf Wunsch des Kanzleramtes soll deshalb die Moltkestraße vor dem Regierungssitz ab 1999 „für den Durchgangsverkehr“ gesperrt werden. Für das Teilstück zwischen der Straße des 17. Juni und der Moltkebrücke müsse eine verschwenkte Ersatzstraße gebaut werden. Dies geht aus einem internen Papier an die Bundesbaugesellschaft hervor, das der taz vorliegt. Die Bundesbaugesellschaft realisiert die Gebäude für die Regierung und das Parlament am Reichstag.

Anlaß für den Sperrvorstoß ist zum einen, daß man im Kanzleramt fürchtet, der Autotunnel unter dem Tiergarten könnte nicht vor 2000 fertiggestellt sein. Der Durchgangsverkehr in Nord-Süd-Richtung mit über 50.000 Pkw täglich würde damit am östlichen Haupteingang des Regierungsgebäudes entlanggeführt. Bei Anfahrten von Staatsgästen oder anderen hochrangigen Besuchern zum „Ehrenhof des Kanzleramtes“ müßte die Straße für Autofahrer geschlossen werden, „weil die Gäste sonst da nicht durchkämen“, sagte der Geschäftsführer der Baugesellschaft, Rütter, auf Anfrage. Rütter gab sich aber zuversichtlich, daß der Autotunnel rechtzeitig fertiggestellt wird. Zum anderen besteht im Kanzleramt die Sorge, daß selbst der vollendete Tunnel die Autofahrer aus Richtung Moabit nicht davon abhält, über die Moltkebrücke bis zur Straße des 17. Juni am Kanzleramt vorbeizubrettern. Mit einer Ersatzstraße „könnte das Kanzleramt leben“, so das Papier. Gegen die Ersatzstraße spricht sich die Verkehrsverwaltung aus. Die neue Verkehrsführung bringe keine Entlastung für das Amt. Außerdem seien die Kosten für den Rückbau erheblich. Es dürfe keine Sonderregelungen für den Bund geben, sagte eine Mitarbeiterin beim Verkehrssenator. Der Bund dürfe sich kein Ghetto schaffen.

Kritik an dem Wunschzettel aus dem Kanzleramt übte auch Horst Porath, SPD-Baustadtrat im Bezirk Tiergarten. Die Verbindung zwischen der Straße des 17. Juni und Moabit sei eine öffentliche Straße, die nicht für Repräsentationszwecke gesperrt werden dürfe. Es sei nicht zumutbar, nach einer Ersatztrasse Ausschau zu halten. Alle Maßnahmen seien Indizien, daß der Bund sich den Spreebogen aneignen und die öffentliche Nutzung ausgrenzen wolle.

Vom Kanzleramt war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. In dem Papier heißt es, daß die Senatsverwaltung für Verkehr trotz ihrer Bedenken den Sperrvorstoß prüfen wolle. Rolf Lautenschläger