What's hot, what's not: Rotnasiger Rudolf
■ Weihnachten ist cool & wichtig: Geschmack in und um Hollywood
Weihnachten naht, die lauschige Zeit, da pieksiges Gestrüpp mit allerlei Tand geschmückt wird, um größere Päckchen darunterzulegen. Hollywood zollte dem Fest der Liebe schon immer höchste Ehrerbietung. Es produzierte allein dreißig Filme, die das Wort „Christmas“, und vier, die „Santa Claus“ im Titel enthalten (keinen dagegen mit „Chanukka“im Titel). Es gibt zwei Filme, in denen der Held von Rudolf, dem rotnasigen Rentier, gerettet wird.
Der schönste Weihnachtsfilm aller Zeiten ist „It's a wonderful life“. Jimmy Stewart spielt George Bailey, einen Mann, der sich für einen Versager hält und deshalb Selbstmord begehen will, weswegen der Allmächtige ihm in einer einmaligen Aktion vorführt, wie mies es auf der Welt zugehen würde, wenn George nie geboren wäre. Eigentlich war die Rolle Cary Grant zugedacht. Der Film wurde für fünf Oscars nominiert und bekam, Schande!, keinen einzigen.
Sie fragen sich jetzt wohl, wozu all diese Tatsachen ausgebreitet werden. Sie sollen Ihnen erkennen helfen, daß Weihnachten cool und wichtig ist. Da der moderne Mensch („Ich möchte Model/Schauspieler werden!“) danach strebt, aus seinem Leben einen Film zu machen, hier einige Hinweise zur Hollywoodisierung Ihrer Weihnachtsfeier:
1. Frauen suchen während einer Party nie, aber auch nie gewisse Örtlichkeiten auf (außer vielleicht um zu duschen oder die Nase zu bestäuben), auch wenn sie noch soviel Sekt trinken. 2. Erbrechen wird durch dezentes Rauschen der Toilettenspülung angezeigt. Niemand kotzt im Film je sichtbar und schon gar nicht auf den Teppich. 3. Wenn eine Frau auf Ihrer Party erbricht, will sie Ihnen nur mitteilen, daß sie schwanger ist.
Vor „It's a wonderful life“ bemalte man Cornflakes mit weißer Farbe, um Schnee zu faken. Im Rahmen des Frauenarbeitskräfteabbaus nach dem Zweiten Weltkrieg benutzte man dann geschabtes Eis, Gips, Plastik oder Schaum, Seife und Wasser. Letztere drei empfehlen sich auch für Ihre Weihnachtsparty, denn sie ersparen das Putzen nach dem Fest.
Weihnachten ist nicht nur cool und wichtig, sondern auch aufregend, jedenfalls bei uns zu Hause. Bekanntlich teile ich mir mit meiner Freundin Bubbalou ein geräumiges Haus in den Beverly Hills, das wir aus gegebenem Anlaß mit kleinen Weihnachtsbären – ein Geschenk unserer Freundin Jodie – und künstlichen Mistelzweigen dekoriert haben. Wir drei planen den Besuch des Arnold-Schwarzenegger-Weihnachtsfilms und für das neue Jahr die Herausgabe einer Zeitschrift mit dem Titel Anke. Die Zeitschrift soll all das enthalten, was wir an derzeit verfügbaren Frauenmagazinen schmerzlich entbehren. Proben von neuen Geldscheinen, Berichte über „Uglies Unlimited“, einem Club äußerlichkeitstechnisch geforderter Menschen, die der Diskriminierung müde sind, und Reportagen über die World Nap Organization. Doch dazu bald mehr. Gute Nacht!
Anke Westphal
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