: „Solche Verfolgungsjagden finden bei uns sehr oft statt“
■ Polizist wegen Körperverletzung vor Gericht / Ein „Denkzettel“ mit Folgen
Es klingt wie eine Räuberpistole, die durchaus einen bösen Ausgang hätte nehmen können. Deshalb ist Polizeiobermeister Peter C. im Dezember vorigen Jahres wegen „Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“ vom Amtsgericht Wandsbek zu 10 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Grund: Der Vorfall hätte auch „zum Tod eines der Beteiligten führen können.“ Doch Peter C. legte Berufung ein, so daß nun das Landgericht den Fall erneut prüft.
Am 30. Dezember 1992 fiel dem Trittauer Polizeibeamten Eckard K. bei Großensee ein BMW auf, den Hans-Albert S. steuerte. Versuche, das Fahrzeug zu stoppen, mißlangen, so daß Eckard K. über Funk Hilfe anforderte. Da fühlten sich Peter C. und Kollege G. von der Autobahnpolizei Bad Oldesloe bemüßigt, das „Revier“ zu verlassen. In Braak bauten sie eine Sperre auf, um den flüchtigen PKW zu stoppen. Dennoch gelang es Hans-Albert S., die Sperre zu durchbrechen. Peter C. konnte sich nur durch einen Sprung retten.
Die Verfolgungsfahrt ging nun über die Autobahn nach Jenfeld – ab dort beteiligten sich auch Hamburger Peterwagen an der Jagd. Mit 132 km/h raste der BMW durch die Straßen und rammte einen Streifenwagen, bis er am Jüthornweg stoppte. Zu Fuß flüchtete der 57jährige S. in den Hof des Hauses 107. Dicht auf den Fersen: Die Beamtin Claudia K., ihr Kollege Thomas S. und der Trittauer Beamte Eckard K. Als der Flüchtige über einen Zaun türmen wollte, packten ihn die BeamtInnen, rissen ihn zu Boden, boxten auf ihn ein und legten ihm Handschellen an.
Was dann passierte, ist strittig, denn nun trat Obermeister Peter C. auf den Plan. Nach Angaben von Hans-Albert S. habe Peter C. gerufen: „Laß mich mal ran, der soll noch einen Denkzettel bekommen.“ Dann habe ihn Peter C. mit dem Griff seiner Pistole auf den Hinterkopf geschlagen, wobei sich ein Schuß löste. Splitter trafen den Verfolgten und den Polizisten Eckard S., der noch heute ein Teilchen im Auge hat. Die beiden Hamburger PolizistInnen waren entsetzt: „Bist Du verrückt! Was soll denn das?“
Peter C. schildert den Vorfall anders: Danach wollte er seinen Kollegen zu Hilfe eilen, da der Festgenommene Widerstand geleistet habe. Dabei sei er auf dem glitschigen Rasen ausgerutscht, woraufhin sich der Schuß gelöst habe, da die „Sig Sauer P6“ über keine Sicherung verfüge. Peter C. beteuert: „Ich hab ihn nicht auf den Kopf geschlagen.“
Doch auch gestern – wie schon in der ersten Instanz – schlossen Claudia K., Thomas S. und Eckard K. aus, daß sich Hans-Albert S. die Kopfplatzwunde zugezogen habe, als sie ihn vom Zaun gezerrt haben. Zum Beispiel Claudia K. gab an, Peter C. neben sich hockend wahrgenommen zu haben. Alle drei haben zwar keinen Schlag ihres Autobahnkollegen gesehen, doch als der Schuß fiel, wäre plötzlich die Kopfwunde dagewesen – was anfangs dazu geführt habe, daß die PolizistInnen von einem Kopfschuß ausgegangen sind.
Eine goldene Brücke des Vorsitzenden Richters für Peter C., ob er nicht vielleicht erregt wegen des Vorfalls an der Straßensperre gewesen sei, wies der Angeklagte gestern von sich. Peter C. cool: „Solche Verfolgungsfahrten finden bei uns sehr oft statt.“ Der Prozeß wird fortgesetzt. Kai von Appen
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