: „Eine Autorität in Sachen Tod“
■ Aids-Pastor Rainer Jarchow zieht nach einem Jahr Bilanz
Eine durchweg positive Zwischenbilanz hat der bundesweit einzige evangelische Aids-Pastor Rainer Jarchow nach einem Jahr seiner Tätigkeit in Hamburg gezogen: „Als ich hier anfing, habe ich mir nicht vorstellen können, so schnell und so intensiv Kontakt mit den Betroffenen zu erhalten. Auch auf Behördenseite stoße ich mit meinen Anliegen überall auf offene Ohren.“ Der 53jährige Jarchow hat festgestellt: „Kirche ist sozusagen in Sachen Tod und Sterben eine Autorität und wird mitgedacht, wenn es um Aids geht.“
In seinem ersten Jahr als Aids-Seelsorger hat Jarchow 25 Menschen beerdigt, davon 13 seit vergangenem Januar. „Die Menschen, die sich an mich wenden, wollen vor allem ihre Beerdigung mit mir vorbereiten. Rund die Hälfte der fast ausschließlich schwulen Männer ist in der Kirche – aber alle möchten, daß ich ihre Trauerfeier im Talar mache.“ Es mache ihn wütend, daß die Aidstoten „noch immer in Plastiksäcken abtransportiert werden“. Der Pastor: „Es ist skandalös, wie Tote einfach weggeschafft werden. Dafür sind die Pathologen verantwortlich.“
Die Trauerbegleitung von Angehörigen sei ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit, sagte Jarchow, der einmal monatlich in St. Georg einen für jeden offenen Aids-Gottesdienst hält. Rund 150 Menschen nehmen daran durchschnittlich teil. „Hier ist ein großer Zusammenhalt entstanden.“ Der Geistliche, der auch regelmäßig Hamburger Gemeinden besucht, um dort das Thema Aids einzubringen, empfindet in St. Georg „fast so etwas wie ein Dorfgefühl“. In dem Stadtteil, der von Drogensucht und Prostitution geprägt ist, und in dem alle wichtigen Aids-Hilfeorganisationen vertreten sind, werde „Aids sichtbar“.
Jarchow erwartet viel von der Einrichtung eines Aids-Hospizes, das von der Hilfsorganisation Leuchtfeuer getragen werden soll. Als Erfolg verbucht er die Gründung des „Memento“-Vereins, der eine Grabstätte für Aidstote auf dem Ohlsdorfer Friedhof unterhält. Seine Arbeit empfindet Jarchow als Bereicherung: „Ich muß nicht funktionieren, ich kann meine Arbeit als Auftrag begreifen. dpa
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